Südsudan

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Dinge, die man zurücklassen musste

Wenn man wegfährt, gibt es immer etwas, das man vermisst: einen bestimmten Ort, ein besonderes Essen, ein geliebstes Kleidungsstück oder einfach das eigene Bett. Dieses Gefühl ist noch schlimmer, wenn man keine Zeit zum Packen hatte, weil Krieg und Gewalt das eigene Leben bedrohen und man nur noch weg will.

In den Flüchtlingslagern erzählen die Menschen sich oft von Freunden und Familienangehörigen, die vermisst werden. Die Erinnerungen an die geliebten Menschen und alles was verloren ist, ist allgegenwärtig. Doch wenn die Menschen anfangen ihr Leben wieder zu ordnen und sich etwas neu aufzubauen, erinnern sie sich auch immer wieder an die kleinen Dinge, die sie zurückgelassen haben. Dinge des alltäglichen Lebens, die sie vermissen, weil sie einen besonderen Wert für sie haben.

Von diesen kleinen Dingen erzählen Flüchtlinge aus dem Südsudan:


Gatwech, 15

Gatwech vermisst seine Schuhe

Gatwech ist 15 Jahre alt und lebt im Flüchtlingslager Tierkidi in Äthiopien. Er hofft einmal studieren zu können, um Politiker zu werden und Gutes für Südsudan zu tun. Er ist fest entschlossen, den Menschen etwas zu geben, Straßen, Strom und Krankenhäusern, anstatt einen Krieg zu führen, der alles schlecht macht.

“Ich vermisse meine Schuhe und meine Anziehsachen. Es mach mich so traurig, dass ich nichts anzuziehen habe, wenn ich in die Schule gehe. Jeden Tag trage ich die gleichen Sachen, die nicht passen und ich bin immer barfuß. Ich musste den ganzen Weg vom Südsudan ohne Schuhe laufen. Ich hatte diese schwarzen Schuhe mit weißen Sohlen und wenn ich sie getragen habe, fühlte ich mich so mächtig – so als wenn die Leute mich gesehen haben und mich respektiert haben, so als wenn ich alles hätte. Wenn ich hier in den Wald gehe, um Feuerholz zu holen, schneide ich mir in die Füße und ich denke nur an die Schuhe zu Hause, mit denen es mir jetzt nicht wehtun würde.”


Koang, 21

Koang vermisst seinen Laptop

Koang, 21, studierte im Südsudan Medizin. Als der brutale Konflikt die Stadt Malakal erreichte, rannte er mit nichts als den Kleidern auf dem Leib um sein Leben.

Im Flüchtlingslager Kule in Äthiopien kann er sein Universitäts-Studium nicht fortführen. Jetzt beschäftigt er sich, indem er einen Gemüsegarten pflegt und hilft beim Bau einer Schule, damit er und andere eine richtige Ausbildung bekommen können.

“Ich vermisse am meisten meinen Laptop. Alles was ich brauche ich dieser Computer. Ich brauche ihn, um mit Menschen Kontakt zu halten, E-mails und er bedeutete mir so viel. Alle meine Dokumente waren da drin, alle meine privaten Dinge, meine Geheimnisse und meine Kommunikation mit Freunden.”


Nyantay, 40

Nyantay vermisst ihr Bett

Als in ihrem Dorf im Südsudan Kämpfe ausbrachen, stolperte die 40-jährige Nyantay allein durch den Wald. Nyantayist blind. Sie stieß an Bäume und fiel so oft hin, dass sie schließlich hoffte, dass die Löwen und Hyänen, die sie hören konnte, sie fressen würden.

“Ich vermisse am meisten mein Bett. Mein Bett zu Hause war so bequem, nicht wie hier. Weil ich tagsüber nichts sehen kann, träume ich nachts von der Landschaft und sehe den Himmel mit sehr guten Menschen darin. Ich vermisse es, den Sonnenaufgang zu sehen. Früher bin ich immer früh aufgestanden, um ihn anzusehen. Augen sind sehr wichtig. Man kann sehen, wohin man geht, man sieht die Gefahren und die Entfernungen, aber jetzt ist alles weg. Ich sehe für mich keine Zukunft. Hier sitze ich nur an einem Platz und bin traurig.”


Nyaruot, 13

Nyaruot vermisst Brot

Nyaruot ist 13 Jahre alt. Sie erinnert sich, dass sie Zuhause in Südsudan immer genug zu essen hatten. Jetzt muss sie ihre einjährige Schwester Susanna jeden Tag in das Ernährungszentrum bringen.

Im Flüchtlingslager Leitchuor in Äthiopien leben über 45.000 Flüchtinge aus dem Südsudan. Jedes zehnte Kind unter 5 Jahren ist unterernährt. Oft waren sie Tage oder Wochen ohne Essen unterwegs, um vor der Gewalt zu fliehen. Während die beiden Mädchen im Ernährungszentrum sind, sucht die Mutter nach Zwiebeln oder anderem, um das tägliche Essen nahrhafter zu machen - aber Nyaruot träumt von dem leckeren Brot, das es immer zu Hause gab.

“Das Baby kann nicht essen, was die Großen essen, darum weint sie vor Hunger. Wenn ich  Susanna weinen sehe, fühle ich mich so hilflos und erinnere mich an unser Zuhause im Südsudan, wo wir ihre alles geben konnten, was sie wollte. Es war so schwierig hierher zu kommen. Vater war nicht da und wir hatten kein Essen, wir tranken Wasser aus Pfützen. Die Farbe war schrecklich. Wir gossen es durch unsere Röcke, um ein bisschen von dem Dreck wegzukriegen. Es schmeckte eklig, aber es gab nichts anderes und meine Mutter weinte, wenn sie uns das trinken sah. Wir fühlten uns hinterher schwach, aber das war vielleicht wegen dem Hunger. Mein Herz sehnt sich nach Brot, und jeden Tag zur Schule zu gehen, weil ich wenn Susanna krank ist, mich um sie kümmern muss.”
 

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