Nothilfeteam Jordanien

Nothilfe-Team Jordanien

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„Wir haben nie genug Zeit“

Huda Al-Shabsogh ist Jordanierin. Sie lebt in Amman und hat drei Kinder. Huda Al-Shabsogh hat Jura studiert und arbeitet seit sechs Jahren für das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR).

Seitdem immer mehr syrische Flüchtlinge sich über die Grenze in Jordanien in Sicherheit bringen, hat sich ihre Arbeit verändert. Huda Al-Shabsogh ist Teil des Nothilfe-Teams in Jordanien, das die syrischen Flüchtlinge aufsucht, die nicht im Flüchtlingslager Za'atri sondern bei Bekannten und Verwandten untergekommen sind oder andere Wohnmöglichkeiten nutzen.

Über ihre Arbeit sprach sie mit ihrem Kollegen Reem Alsalem. Einige Ausschnitte aus dem Gespräch:

Wie sieht Dein normaler Arbeitstag aus ?

Ich stehe normalerweise sehr früh, um 5:30, auf. Ich helfe meinen Kindern sich fertig zu machen und gehe dann ins Büro. Wir besuchen die Flüchtlinge sonntags und mittwochs. Meistens brechen wir um 7 Uhr auf, damit wir so viel wie möglich schaffen. Wenn wir ankommen, so zwischen 8:00 und 8:30 Uhr, treffen wir die Flüchtlinge. Normalerweise sind wir zu zweit. Wir sehen mindestens 200 Familien am Tag, manchmal sind es auch 300.

Was macht ihr, wenn ihr die Flüchtlinge trefft?

Ich bin Teil des sogenannten Help Desk. Wir beraten die Flüchtlinge zu verschiedenen Themen: wie sie sich registrieren können; wie sie ihre Kinder in der Schule anmelden; was sie tun können, wenn die Kinder krank werden oder krank sind. Und wir machen Termine, um sie beim UNHCR in Amman zu registrieren. Das kann auch in Ramtha, Zarqa und Mafraq sein.

Zweimal im Monat gehen wir jetzt auch nach Maan im Süden Jordaniens. Das ist gut, weil Maan sehr weit von Amman entfernt ist und es schwierig für die Flüchtlinge ist, zu uns zu kommen.

Warum ist die Registrierung in Jordanien so wichtig?

Es ist wichtig, weil diejenigen, die registriert sind, Hilfe vom UNHCR, dem Welternährungsprogramm (WFP) und anderen humanitären Organisationen bekommen und auch öffentliche Dienste in Anspruch nehmen können. Mit den Papieren können sie sich in staatlichen Krankenhäusern in Jordanien medizinische behandeln lassen und ihre Kinder die Schule schicken.

Die Polizei erkennt die Papiere meist an oder weiß von ihnen. Eine Registrierung ist daher auch eine Form des Schutzes. Die Flüchtlinge, die registriert sind und Papiere haben, müssen diese jedoch regelmäßig erneuern. Die Dokumente sind nämlich nur für sechs Monate gültig. Auch in diesem Fällen machen wir für die Flüchtlinge wir Termine aus, das kann man nämlich nur in den Büros in Amman und Irbid.

Welche Probleme gibt es?

Wir haben nie genug Zeit. Während der Termine, stellen die Flüchtlinge viele Fragen, und nicht nur über die Grundprobleme. Der UNHCR hat zwar Telefondienste, aber die Flüchtlinge ziehen den persönlichen Kontakt vor. Da fühlen sie sich sicherer. Zudem sind die Leitungen oft besetzt. Wir beantworten bis zu 700 Anrufe am Tag – die meisten von syrischen Flüchtlingen.

Wir werden oft nach schnelleren Antragswegen gefragt. Vor allem von Jordaniern, die mit den syrischen Flüchtlingen verwandt oder befreundet sind. Wir müssen dann erklären, warum wir da nichts machen können und warum sie warten müssen, bis sie dran sind. Das stresst uns manchmal sehr. Nicht jeder nimmt das gut auf und die Situation wird manchmal aggressiv und sehr emotional. Manchmal bestehen sie darauf, aber wenn sie sehen, dass wir bei unserer Meinung bleiben, akzeptieren sie es.

Es ist auch schwierig, mit so vielen Familien zu tun zu haben, jede mit ihrer eigenen schweren Geschichte. Es fällt manchmal sehr schwer. Auf dem Weg nach Hause, reden wir über die schwierigen Fälle, die wir gesehen haben. Das hilft, um Dampf abzulassen und Gefühle zu teilen. Das macht es leichter, als alles für sich zu behalten.

Was ist noch anders, wenn man in einer Notfallsituation arbeitet?

Jede Woche erstellen wir einen Arbeitsplan, aber es passieren so viele Dinge, dass wir uns nicht immer an diesen Plan halten können. Zum Beispiel hören wir von einer Gruppe Flüchtlinge, die dringend medizinische Hilfe braucht. Dann fahren wir natürlich dorthin, und verschieben den Besuch eines anderen Standortes auf später, denn wenn diese Flüchtlinge nicht registriert sind, bekommen sie auch keine medizinische Hilfe.

Die Arbeitstage sind kaum planbar, darum ziehe ich meist praktische Sachen an, selbst wenn es eigentlich ein Bürotag ist. Denn es passiert fast immer, dass wir rausfahren und Flüchtlinge und Gastfamilien besuchen.

Gibt es ein Flüchtlingsschicksal, das Dich besonders erschüttert hat?

Ja. Eines Tages kam eine syrische Familie, die sagte, ihr 21jähriger Sohn sei sehr krank. Ich ging hin und besuchte ihn, weil er nicht zur Registrierung kommen konnte. Als ich ankam, erwartete ich eine großen, jungen Mann zu sehen. Was ich aber dann sah, schockierte mich und nahm mir den Atem. Er lag auf einer Matratze unter vielen Decken. Er war so ausgemergelt, dass ich ihn unter all den Decken kaum sah - er war nur Haut und Knochen.

Der Junge hatte auf einem Motorrad versucht, einer Schießerei zu entkommen, als ihn die Salve eines Heckschützen traf. Er fiel vom Motorrad und sein Kopf prallte auf den Boden. Seine Eltern hatten zu viel Angst, um ihn zum Krankenhaus zu bringen und beschlossen, ihn zu Hause zu versorgen. Sie erzählten, dass er in den ersten Wochen nach dem Unfall immer wieder ohnmächtig wurde. Sie ernährten ihn durch eine Sonde. Sie beschlossen, ihn nach Jordanien zu bringen. Ein Mann trug ihn auf dem Rücken zur Grenze.

Mit der Hilfe des UNHCR wurde der Junge im Krankenhaus behandelt. Es war jedoch zu spät. Nach vier Monaten starb er. Es war schrecklich zu sehen, wie er und seine Familie leiden mussten. Das ist nur eine tragische Geschichte - aber wir sehen jeden Tag so viele davon.

Trotz allem Leid, arbeitest Du gern für den UNHCR?

Ja, absolut. Wir haben eine wichtige Aufgabe. Das ist nicht nur ein Job. Ich kann durch die Arbeit, die ich tue, Menschen helfen. Bevor ich beim UNHCR anfing, las ich in der Zeitung über den UNHCR und die Hilfe, die man dort für Flüchtlinge leistete. Das war zur Zeit der irakischen Flüchtlingskrise. Dann sah ich eines Tages eine Anzeige in der Zeitung. Eine Bekannte riet mir, mich zu bewerben und ich fühlte, dass es das war, nach dem ich suchte.

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