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CC-BY-4.0: © European Union 2022– Source: EP
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Asyl in Europa

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Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsytems

Was ist GEAS?

Das Konzept eines "Gemeinsamen Europäischen Asylsystems" (GEAS) bezieht sich auf die Bemühungen der Europäischen Union, ein kohärentes und einheitliches System für die Behandlung von Asylsuchenden zu schaffen. Ziel ist die Angleichung der Asylsysteme der EU-Mitgliedstaaten, sodass jede*r Asylbewerber*in gleich behandelt wird, egal, in welchem Mitgliedsland der Asylantrag gestellt wird.

Mit der Zustimmung des Rates der Europäischen Union im April 2024 wurde die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems beschlossen. Die neuen Regelungen werden nach Ablauf von zwei Jahren in allen EU-Mitgliedstaaten Anwendung finden oder müssen bis dahin in nationales Recht umgesetzt werden. Die Mitgliedstaaten haben bis dahin Zeit, Vorbereitungen für die Anwendung zu treffen.

Der UNHCR hat die Verabschiedung der Reform grundsätzlich begrüßt und Empfehlungen zur Umsetzung ausgesprochen, die das Recht, um Asyl zu ersuchen, respektiert und schützt. Weitere Informationen finden Sie hier

Welche Änderungen umfasst die Reform?

Die GEAS-Reform umfasst zehn zentrale Rechtsakte. Zu den wichtigsten Bausteinen der verabschiedeten Reform gehören die Asyl- und Migrationsmanagementverordnung, die Screeningverordnung und die Asylverfahrensverordnung.

Asyl- und Migrationsmanagementverordnung

Die Asyl- und Migrationsmanagement Verordnung schafft einen gemeinsamen Rahmen für das Asyl- und Migrationsmanagement in der EU sowie einen Mechanismus für die solidarische Unterstützung von Mitgliedstaaten unter besonderem Druck. Das geschieht etwa durch die Übernahme von Asylsuchenden oder Schutzberechtigten, finanzielle Beiträge oder alternative Solidaritätsmaßnahmen. Die Verordnung enthält darüber hinaus eine Regelung zur Bestimmung der Zuständigkeit für die Prüfung eines Asylantrags. 

Screeningverordnung

Die Screeningverordnung sieht vor, dass Personen, die die Außengrenzen der Europäischen Union irregulär überschreiten oder sich illegal im Land aufhalten, ein "Screening"-Verfahren durchlaufen, bei dem Maßnahmen zur Festellung der Identität durchgeführt und eine vorläufige Kontrolle des Gesundheitszustands und eventueller Vulnerabilität und eine Prüfung möglicher Sicherheitsrisiken vorgenommen werden. 

Asylverfahrensverordnung

Dieses Verfahren, das in Grenznähe durchgeführt werden soll, darf maximal sieben Tage dauern. Während dieser Zeit können die betroffenen Personen festgehalten werden. Nach Abschluss des Screenings werden sie entweder in das Asyl- oder Rückführungsverfahren überführt. Die neue Asylverfahrensverordnung regelt das Verfahren in allen Mitgliedstaaten als unmittelbar geltendes Recht. 

Neu ist, dass mit der Verordnung verpflichtende Grenzverfahren für bestimmte Gruppen von Schutzsuchenden (Schutzquote unter 20%, Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung, vorsätzliche Täuschung) eingeführt werden. Diesen Personen würde dann die Einreise für die Dauer des Grenzverfahrens verweigert. EU-weit sind insgesamt Kapazitäten für 30.000 Antragsteller*innen in Grenzverfahren vorzuhalten. Die Kommission errechnet angemessene Kapazitäten aus dieser Zahl für jeden Mitgliedstaat. Bei Überschreitung zu einem gegebenen Zeitpunkt ist das Grenzverfahren nicht mehr verpflichtend auf Personen aus Ländern mit einer Schutzquote unter 20% anzuwenden.  

Wie kam es dazu?

  • Das Grundkonzept eines Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) wurde 1999 im Tampere Programm definiert und 2004 durch das Haager Programm bestätigt.
  • Im Juni 2013 verabschiedete das Europäische Parlament neue Vorschriften, die 2015 von allen Mitgliedstaaten übernommen wurden. Darunter etwa die Dublin III-Verordnung zur Zuständigkeit der Mitgliedstaaten und Inhaftierungsmöglichkeiten von Flüchtlingen.
  • Im September 2020 schlug die EU-Kommission eine Reform des europäischen Asylsystems vor, das „Neue Asyl- und Migrations-Paket“, das die Abschaffung der Dublin-III-Verordnung vorsieht und auf drei Säulen basiert: Aufnahmeprozeduren in Zentren an den EU-Außengrenzen, Lastenteilungsmechanismen unter den Mitgliedstaaten und verbesserte Kooperation mit den Herkunfts- und Transitländern.
  • Am 8. Juni 2023 beschlossen die Innenminister der EU eine deutliche Verschärfung der Asylgesetze im Rahmen des „EU-Asylkompromisses“.

Welche Punkte der Verordnung sind ungeklärt?

  • Die Durchführung der Grenzverfahren und die Kriterien zur Einstufung sogenannter “sicherer Drittländer”: Es bestehen Unsicherheiten bezüglich der Praktikabilität und der rechtlichen Grundlagen dieser Maßnahmen. Besonders unklar ist, wie die Definition und Anerkennung sicherer Drittländer gestaltet werden soll, insbesondere in Bezug darauf, wie diese Länder mit den abgeschobenen Personen umgehen und ob die Menschenrechtsstandards dort eingehalten werden.
  • Der Solidaritätsmechanismus zur Umverteilung von Asylsuchenden: Es ist noch offen, wie die konkrete Verteilung und die möglichen Sanktionen bei Nichtbefolgung in der Praxis durchgesetzt werden sollen. 
  • Behandlung von Familien und Kinder: Obwohl unbegleitete minderjährige Flüchtlinge von den strikteren Abschiebeverfahren ausgenommen sind, gibt es noch Diskussionen darüber, ob zusätzliche Schutzmaßnahmen erforderlich sind.
  • Datenschutzfragen: Es ist unklar, wie die Daten durch die geplante Sammlung und Verwaltung sicher gespeichert und verwendet werden sollen. 
  • Die Finanzierung und logistische Umsetzung: Insbesondere die Unterstützung der EU-Außengrenzländer hinsichtlich der benötigten Ressourcen und Infrastruktur zur effektiven Umsetzung der neuen Regelungen ist nicht vollständig geregelt.
  • Unsicherheit über die langfristige Durchsetzbarkeit bestimmter Maßnahmen: Einige Aspekte der Reform könnten rechtlich angefochten werden.

Welche Kritik gibt es? 

  • Die Reform könnte die Rechte von Schutzsuchenden erheblich einschränken. Insbesondere die Einführung von Grenzverfahren, bei denen Asylsuchende in Lagern bis zu sechs Monate festgehalten werden können, wird als problematisch angesehen. Kritiker*innen befürchten, dass dies zu unmenschlichen Bedingungen und einer Verweigerung grundlegender Rechte führt, wie dem Zugang zu unabhängiger Rechtsberatung.
  • Mehr außereuropäische Drittstaaten könnten als „sicher“ eingestuft werden, was die Abschiebung von Schutzsuchenden erleichtert. Dies wird kritisiert, da viele dieser Drittstaaten nicht die notwendigen Standards zum Schutz von Menschenrechten einhalten. Besonders problematisch sind laufende Verhandlungen mit Staaten, die die Rechte von Geflüchteten missachten. 
  • Die Reform schafft keinen effektiven Mechanismus zur solidarischen Verteilung von Asylsuchenden innerhalb der EU. Stattdessen können sich Mitgliedsstaaten durch Zahlungen an externe Akteure von der Aufnahme befreien. Dies wird als unzureichend angesehen, um die Lasten fair zu verteilen und die Solidarität innerhalb der EU zu stärken.
     

 

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