"Diesen Film zu machen, war beruflich und emotional gesehen das Schwerste"

Die Geschichte von Samia Yusuf Omar ging um die Welt, als sie 2008 bei den Olympischen Spielen in Peking antrat. Doch was danach geschah, blieb für viele unsichtbar: Ihr Traum, in London erneut anzutreten, führte sie auf eine Flucht nach Europa, die sie mit dem Leben bezahlte. Der Film "Samia" bringt ihr Schicksal auf die Leinwand – und regt zum Nachdenken an.
Wir haben mit der Regisseurin des Films, Yasemin Şamdereli, über ihre Arbeit zum Film gesprochen.
Wie sind Sie auf Samias Geschichte gestoßen und wann haben Sie sich dazu entschlossen, einen Film über diese außergewöhnliche Sportlerin zu drehen?
So wie viele Menschen, wusste auch ich nichts von dem Schicksal von Samia Yusuf Omar. Die Italienischen Produzenten hatten mich kontaktiert und hatten den Roman von Giuseppe Catozzella in der Tasche mit der Idee aus dem Roman einen Film zu machen. Meine Schwester und Co-Autorin Nesrin und ich haben dann den Roman gelesen und waren zutiefst berührt.
Die Geschichte war so faszinierend und wichtig, dass Nesrin und ich sofort wussten, dass wir das Projekt unbedingt unterstützen wollten."
Warum denken Sie, ist es so wichtig, Samias Geschichte zu erzählen?
Mit gerade mal 17 Jahren hatte es diese junge Somalierin geschafft bei den Olympischen Spielen teilzunehmen. Und das aus einem Land heraus, dass seit Jahrzehnten nicht zur Ruhe kommt und immer wieder unter Krieg und Terrorangriffen zu leiden hat. Das allein war schon so faszinierend, dass diese junge Frau nie aufgegeben hat. Das hat etwas so inspirierendes. Da, wo die Heldengeschichte bereits enden würde, begann aber für Samia eine fast zwei Jahre andauernde Flucht. Eine Flucht, die in einer Katastrophe endete. Samia ertrank als Geflüchtete im Mittelmeer. Sie sollte nicht Tod sein. Und so wie Samia geht es über 122 Mio Menschen. Das ist eine unfassbare Zahl. Und jeder dieser Menschen hat Gründe, warum. Jeder dieser Menschen ist ein Individuum und wir dürfen nicht zulassen, dass diese geflüchteten Menschen entmenschlicht werden.
Was bedeutet es für Sie, eine Fluchtgeschichte zu drehen?
Es war für mich wirklich schwer diesen Film zu machen. Aber um ehrlich zu sein, ist das nichts, absolut nichts gegen das, was Menschen auf der ganzen Welt auf sich nehmen müssen, wenn sie flüchten und ihre Heimat verlassen müssen. Was diese geflüchteten Menschen ertragen, durchleiden und aushalten müssen, ist so schrecklich, dass man das kaum aushält. Daher ist es wirklich eine verzerrte Wahrnehmung, wenn man von den eigenen Problemen berichtet. Und dieses Gefühl hatten alle Teammitglieder. Wir alle wussten, dass wir sehr privilegierte Menschen sind. Diesen Film zu machen, war beruflich und emotional gesehen das Schwerste, was viele von uns beruflich je gemacht haben. Aber es ist auch der Film, der am meisten Sinn ergeben hat. Alle Beteiligten hatten das Gefühl, dass wir eine Geschichte erzählen können, die wichtig ist und dass Samias Geschichte für so viel mehr steht, was aktueller und brisanter leider nicht sein könnte.

Auf unserer Website analysieren und rezensieren wir den Film – von seiner filmischen Umsetzung über die emotionale Wirkung bis hin zu seiner gesellschaftlichen Relevanz.

Die eindrucksvolle Graphic Novel “Der Traum von Olympia” des bekannten Zeichners Reinhard Kleist, erzählt ebenfalls die Geschichte von Samia.
Sie haben sieben Jahre an dem Film gearbeitet. Wie sah Ihre Recherche für “Samia” aus?
Ganz am Anfang stand die Frage, ob ich überhaupt der Aufgabe, dieser Geschichte, gerecht werden kann. Ich bin keine Somalierin und spreche nicht die Sprache. Für mich war klar, dass ich den Film auf jeden Fall in Originalsprache machen wollen würde und so authentisch wie möglich. Zum Glück waren die Produzenten gleicher Meinung.
Damit war klar, dass ich den Film nur machen kann, wenn ich eine Somalierin an meiner Seite habe, die ebenfalls aus der Branche ist. Damals, wir sprechen vom Jahr 2017, gab es keine somalische Filmemacherin. Dann sind wir auf die Familie Osman getroffen und eine der Töchter war eine junge, sehr talentierte Fotografie-Studentin, die kurz davor war, ein Filmstudium in New York zu beginnen. So wurde Deka zu meiner besseren somalischen Hälfte. Ohne Deka Mohamed Osman hätte ich den Film nicht machen können. Sie war mein „partner in crime“.
Sie haben für den Film auch mit Teilen von Samias Familie gesprochen. Was hat Sie dabei besonders bewegt?
Der direkte Kontakt mit der Familie entstand erst etwas später. Es war nicht leicht die Familie zu finden. Für mich war es sehr emotional, ihre Schwester zu treffen. Der Film kann dem Menschen natürlich nicht gerecht werden. Wie auch. Wie soll man einen Menschen mit so einer dramatischen Lebensgeschichte in 90 Minuten darstellen können. Das geht nicht. Und das wussten wir auch.
Uns war es wichtig, dass wir Samias Geschichte erzählen und dass sie nicht vergessen wird. Das war auch das, was sich natürlich ihre Familienangehörigen wünschten."

Wir freuen uns, wenn Sie Anmerkungen oder Feedback zu unseren Blogbeiträgen hinterlassen. Um eine faire und sachliche Diskussionskultur zu gewährleisten und sicherzustellen, dass die Kommentare unseren Communitystandards entsprechen, werden die Beiträge nach einer kurzen Überprüfung freigegeben.
Kommentare und Antworten
Teilen Sie Ihre Gedanken mit uns.