Klimawandel - Klimakrise - Flucht
Das Weltklima ändert sich – und das in einer Geschwindigkeit, die die meisten Voraussagen der Wissenschaftler*innen übertrifft. Für viele Menschen sind die negativen Folgen des klimatischen Wandels bereits hautnah zu spüren. Viele Regionen der Erde sehen sich mit langanhaltenden Dürren konfrontiert, Unwetter und Überschwemmungen nehmen zu. Wir sprechen von einer Klimakrise. Millionen Menschen - und 75 Prozent der Flüchtlinge - leben in den Brennpunkten der Klimakrise, haben aber nicht die Mittel, um sich an die zunehmend unwirtliche Umwelt und die erschwerten Lebensbedingungen anzupassen oder sie verlassen ihre Heimat nach einer verheerenden Naturkatastrophe auf der Suche nach einem Neubeginn.
Klimakrise bedroht Millionen Menschenleben
Klimakrise, Konflikte, Armut, Ernährungsunsicherheit und Vertreibung überschneiden sich zunehmend, so dass immer mehr Menschen auf der Suche nach Sicherheit fliehen müssen. Dabei lösen Naturkatastrophen mehr als dreimal so viele Vertreibungen aus, wie Konflikte und Gewalt. Laut UNHCR, wurden in den letzten 10 Jahren 220 Millionen Menschen durch klimabedingte Katastrophen zur Flucht innerhalb der Landesgrenzen gezwungen. 2023 verließen rund 26,4 Millionen Menschen ihre Heimat aufgrund von Katastrophen und klimabedingten Ereignissen wie Dauerregen, langanhaltenden Dürren, Hitzewellen und Stürmen sowohl kurz- als auch langfristig - das ist die höchste Zahl seit einem Jahrzehnt.
Was ist richtig? Klimawandel oder Klimakrise ?
Der Begriff Klimawandel beschreibt neutral, dass sich das Klima weltweit ändert. Man kann wissenschaftlich erklären, wie es dazu kommt und welche von Menschen gemachten Faktoren zum Wandel des Klimas beitragen.
Dass der Klimawandel dramatische Auswirkungen auf die Natur und das Lebensumfeld vieler Menschen hat und sie zur Flucht aus ihren Heimatregionen zwingt, wird durch eine so neutrale Erklärungen jedoch verharmlost. In diesem Zusammenhang spricht man darum immer häufiger von der „Klimakrise“.
Naturkatastrophen nehmen zu
Eine Folge des Klimawandels ist die Verdopplung der Naturkatastrophen innerhalb eines Jahres. Das UN-Büro für Katastrophenvorsorge (UNDRR) in Genf stellt alarmierenden Zahlen vor - auch mit Blick in die Zukunft. Die Zahl der klimabedingten Katastrophen seien demnach im durchschnittlichen Vergleich zu den Jahren zuvor von durchschnittlich 370 auf 399 im Jahr 2023 gestiegen.
Bei fast jeder Naturkatastrophe - seien es Erdrutsche, Überschwemmungen, Taifune oder Hurrikans - müssen die Menschen aus ihren Häusern fliehen, manchmal sogar über Landesgrenzen hinweg.
Herkunfts- und Aufnahmeländer mit Folgen des Klimawandels überfordert
Fast 75 Prozent der weltweiten Flüchtlinge und konfliktbedingt Vertriebenen leben in den Ländern, die am stärksten von der Klimakrise bedroht sind. Dazu gehören die fünf Länder, aus denen weltweit die meisten Flüchtlinge kommen: Syrien, Venezuela, Afghanistan, Südsudan und Myanmar.
Klimawandel birgt Konfliktpotential
Begrenzte natürliche Ressourcen, wie Trinkwasser, werden durch den Klimawandel immer knapper. Viele Feldfrüchte und einige Vieharten werden in bestimmten Gebieten nicht überleben können, wenn es zu heiß und trocken oder zu kalt und nass wird. Die Lebensmittelversorgung ist in vielen Regionen der Welt schon jetzt ein Grund zur Sorge.
Die Menschen müssen versuchen, sich an diese Situation anzupassen, aber für viele wird es den bewussten Umzug in eine andere Region bedeuten, um überleben zu können. Die Situation hat das Potential Konflikte zwischen Gemeinden heraufzubeschwören, wenn immer mehr Menschen um immer weniger Ressourcen konkurrieren.
Für das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) sind die Konsequenzen des Klimawandels enorm.
Gibt es „Klimaflüchtlinge“?
Im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention gibt es keine Klima- oder Umweltflüchtlinge. Denn als Flüchtling gilt im Völkerrecht jemand, der aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung verfolgt und bedroht wird und darum sein Land verlässt. Menschen, die aus persönlichen oder materiellen Notlagen, wie Hunger oder die Zerstörung der Umwelt fliehen, zählen nicht dazu.
Dennoch können Naturkatastrophen oder die Zerstörung von Lebensgrundlagen durch Klimaveränderungen zu Fluchtbewegungen über Ländergrenzen führen. Im UN-Migrationspakt wird dies ausdrücklich erwähnt. Menschen haben dann einen berechtigten Anspruch auf den Flüchtlingsstatus, wenn die Auswirkungen des Klimawandels mit bewaffneten Konflikten und Gewalt zusammenwirken.
Flucht vor Naturkatastrophen in völkerrechtlichen Konventionen
Die OAU-Konvention von 1969 und die Erklärung von Cartagena von 1984 erweitern die Flüchtlingsdefinition nach den Erfahrungen mit Befreiungskriegen, Bürgerkriegen, Staatsstreichen, religiösen und ethnischen Konflikten sowie Naturkatastrophen, so dass auch Personen als Flüchtling zählen, die vor Klimaveränderungen oder Naturkatastrophen fliehen, die ein Überleben schwierig machen.
In der regional für Afrika geltenden völkerrechtlichen Konvention zum Schutz von Flüchtlingen der Organisation für Afrikanische Einheit, heute Afrikanische Union, von 1969 heißt es in Artikel I, Absatz 2:
"Der Begriff Flüchtling soll außerdem auf jede Person Anwendung finden, die wegen Aggression von außen, Besetzung, Fremdherrschaft oder aufgrund von Ereignissen, die die öffentliche Ordnung in einem Teil des Landes oder im gesamten Land ernsthaft stören, gezwungen ist, den Ort ihres gewöhnlichen Aufenthalts zu verlassen, um an einem anderen Ort außerhalb ihres Landes ihrer Herkunft oder ihrer Staatszugehörigkeit Zuflucht zu suchen."
Die Erklärung von Cartagena, die von 10 lateinamerikanischen Staaten verabschiedet wurde erweitert die Flüchtlingsdefinition in Abschnitt III Absatz 3:
"Personen, die aus ihrem Land geflüchtet sind, weil ihr Leben, ihre Sicherheit oder Freiheit durch allgemeine Gewalt, den Angriff einer ausländischen Macht, interne Konflikte, massive Verletzungen der Menschenrechte oder sonstige Umstände, die zu einer ernsthaften Störung der öffentlichen Ordnung geführt haben, bedroht sind."
Welchen Standpunkt vertritt der UNHCR?
Die meisten Menschen, die gezwungen sind, ihr Zuhause im Zusammenhang mit Naturkatastrophen und dem Klimawandel zu verlassen, sind keine Flüchtlinge im völkerrechtlichen Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention.
Es kann jedoch Situationen geben, in denen die Flüchtlingskriterien der Konvention von 1951 oder die umfassenderen Flüchtlingskriterien regionaler Flüchtlingsgesetze anwendbar sein könnten: nämlich dann, wenn der Klimawandel und damit zusammenhängende Naturkatastrophen Gewalt, bewaffnete Auseinandersetzungen und Vertreibung zur Folge haben, in deren Zuge Menschen über Grenzen fliehen.
Weitere Informationen zum Standpunkt des UNHCR
Welche Lösungsansätze verfolgt der UNHCR?
Angesichts der steigenden Zahl von Menschen, die vor Naturkatastrophen gezwungen sind, ihre Heimatregionen zu verlassen, unterstützt der UNHCR seit 2012 die Nansen Initiative, die für solche Situationen Lösungsansätze entwickeln soll. Die Nansen Initiative verabschiedete 2017 eine Schutzagenda und initiierte eine Platform on Disaster Displacement, um die Staaten bei der Umsetzung ihrer Empfehlungen zu unterstützen.
Gleichzeitig bindet der UNHCR in alle Bereiche seiner Arbeit Umweltaspekte ein, um das Risiko von Naturkatastrophen zu minimieren.
Warum und wann hilft der UNHCR auch bei Naturkatastrophen?
Nach seinem Mandat hilft der UNHCR in Krisenfällen Flüchtlingen und vertriebenen Menschen mit der Bereitstellung von lebenswichtiger Versorgung mit Trinkwasser, Notunterkünften, Decken, medizinischer Hilfe und Lebensmitteln.
Aber auch im Falle von Naturkatastrophen stehen UNHCR-Nothilfeteams bereit, wenn der Einsatz praktisch umzusetzen und angemessen ist. Dies kommt vor allem in Regionen vor, in denen UNHCR Lagerbestände hat, weil dort Flüchtlinge und Vertriebene unterstützt werden und diese von den Folgen der Naturkatastrophe betroffen sind.
Klimawandel und Flüchtlinge
Zur 29. Weltklimakonferenz, COP29, die Anfang November 2024 in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku stattfand, hat der UNHCR ein eigenes Papier erarbeitet “No escape – on the frontlines of climate change, conflicts and forced displacement”.
Flüchtlinge und die Auswirkungen auf die Umwelt
Große Flüchtlingsbewegungen können enorme negative Umweltauswirkung haben. Im Umkreis von Flüchtlingslagern und -siedlungen kann es zu Problemen kommen, wie Abholzung, Überfischung, Wilderei und dem Verbrauch ohnehin knapper Wasserressourcen. Konflikte um diese Ressourcen sind eine Gefahr für das Wohlergehen der Flüchtlinge und die Arbeit der Hilfsorganisationen vor Ort. Darum ist der Umweltschutz wichtiger denn je auch für die Arbeit von Hilfsorganisationen.
Der UNHCR bezieht Umweltaspekte in alle Bereiche der Flüchtlingshilfe ein:
- versucht die negativen Auswirkungen großer Bevölkerungsbewegungen und die Ansiedlung vieler Menschen auf die Natur zu vermeiden,
- nutzt wenn möglich klimaneutrale, umwelt- und ressourcenschonende Technologien, wie ökologische Brennöfen oder die Herstellung von Brikets, Solarstromanlagen,
- fördert die Aufforstung von geschädigten Flächen,
- versucht Schäden durch Überschwemmungen und Erdrutsche in Monsunregionen durch bauliche Maßnahmen zu vermeiden.
Fluchtpunkt 1/2023: Klimakrise und Flucht
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