Krieg, Hunger und Überschwemmungen: Überlebenskampf im Sudan
[Stand: 12.08.2024]
Es ist die Krise in der Krise - und es ist kein Ende in Sicht.
Zu der seit über einem Jahr andauernden Gewalt kommen nun Überschwemmungen und eine Hungersnot, die das Leben von Millionen Menschen im Sudan bedrohen.
Am 15. April 2023 brachen Kämpfe zwischen Regierungstruppen und paramilitärischen Kämpfern aus. Die Kämpfe betreffen sowohl die Hauptstadt Khartoum als auch andere Regionen im Land. Wichtige Infrastruktur wie Krankenhäuser und Schulen wurde dabei angegriffen und zerstört.
Diese Gewalteskalation hat seit April 2023 mehr als 10 Millionen Menschen zur Flucht gezwungen - 7,9 Millionen von ihnen sind Binnenvertriebene - und die Zahlen steigen von Woche zu Woche.
Hungersnot in Sudans Darfur-Region
+++ Das Famine Review Committee (FRC) hat im Camp Zamzam in Nord-Darfur, wo etwa 400.000 sudanesische Binnenvertriebene leben, eine Hungersnot festgestellt. Es wird angenommen, dass in weiteren Camps in der Region El Fasher ähnlich alarmierende Bedingungen herrschen. Durch die eskalierende Gewalt im Sudan, die nun schon seit über 15 Monaten anhält, ist der Zugang für humanitäre Hilfe stark eingeschränkt. +++
Durch den Hunger geschwächte Menschen sind anfälliger für Krankheiten. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnte vor einer Ausbreitung von Infektionskrankheiten. In 2023 waren bereits mehr als 1.200 Kinder gestorben - Grund war laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Mangelernährung und vermutlich ein Masernausbruch gewesen. Jedes siebte Kind soll unterernährt sein. Aufgrund der Gewalt ist die humanitäre Hilfe im gesamten Sudan stark beeinträchtigt.
Flüchtlinge durch Überflutungen und Cholera bedroht
Mit Beginn der Regenzeit verschlimmern schwere Überschwemmungen die ohnehin schon prekäre Lage von Flüchtlingen und Binnenvertriebenen im Sudan. In den letzten Wochen haben die Regenfälle Zehntausende Menschen schwer getroffen, was zusätzliche Vertreibungen, Verletzungen und Todesfälle zur Folge hatte.
Unter ihnen sind viele Familien, die vor kurzem vor der Gewalt geflohen sind. Einige von ihnen sind seit Beginn des Konflikts bereits drei- oder viermal vertrieben worden. Sie haben ihr Hab und Gut, einschließlich der Lebensmittelrationen, verloren und stehen vor erheblichen Problemen beim Zugang zu sauberem Wasser und sanitären Einrichtungen.
Hilfsorganisationen warnen vor der Ausbreitung von Krankheiten wie Malaria und Cholera und anderen Durchfallerkrankungen. UNHCR trainiert Mitarbeiter*innen in Flüchtlingslagern speziell im Bereich Cholera-Prävention, -Information und -Behandlung. Gesundheitsstationen werden mit zusätzlichen Betten, Medikamenten und Hygiene-Kits ausgestattet.
Zahl der Menschen auf der Flucht wächst stetig
Mehr als 2 Million Menschen sind über die Grenzen in die Nachbarländer geflohen: mehr als 600.000 Menschen sind in den Tschad und mehr als 750.000 Menschen in den Südsudan geflohen, etwa 500.000 laut Regierungsangaben nach Ägypten und mehrere Zehntausend nach Äthiopien sowie die Zentralafrikanische Republik. Die Mehrzahl der Neuankömmlinge im Südsudan sind dabei Rückkehrer*innen, die Jahre zuvor aus dem Südsudan in den Sudan geflohen waren.
Gleichzeitig sind über 7,9 Millionen Menschen innerhalb des Sudans auf der Flucht. Unter ihnen befinden sich fast eine Million Vertriebene, die bereits zuvor schon als Binnenvertriebene in anderen Landesteilen Schutz suchten, aber nun erneut fliehen mussten.
Der UNHCR unterstützt sowohl diejenigen, die im Land nach Sicherheit suchen, als auch die Flüchtlinge, die sich in den Nachbarländern in Sicherheit gebracht haben. Diese Menschen müssen dringend geschützt werden. Sie brauchen eine Unterkunft, Sicherheit und eine Grundversorgung.
UNHCR-Hochkommissar Grandi warnt vor weiteren Massenfluchten aus dem Sudan
Bei seinem Besuch im Sudan im Juni 2024 warnte Filippo Grandi davor, dass ohne Friedensbemühungen viele weitere Menschen vor dem brutalen Krieg im Sudan fliehen werden. Die humanitäre Krise sei erschreckend. Der Tschad und der Südsudan könnten keine weiteren Flüchtlinge aufnehmen. Grandi rief dazu auf, die Gewalt zu stoppen und humanitären Zugang zu ermöglichen. Die Zustände in den überfüllten Flüchtlingslagern seien katastrophal und internationale Unterstützung dringend erforderlich.
Ein Aufnahmeland, das selber nicht zu Ruhe kommt
Der Staat Sudan ist mit einer der kompliziertesten und größten Flüchtlingsbewegungen in Afrika konfrontiert. Einerseits ist der Sudan seit Jahren eines der größten Aufnahmeländer in Afrika - mehr als 1,1 Millionen Flüchtlinge suchten hier vor dem Ausbruch der neuesten Gewalt Schutz. Andererseits lebten vor dem Gewaltausbruch mehr als 3,7 Millionen Binnenvertriebene im Land und über 845.000 Sudanes*innen waren bereits in andere Länder geflohen.
Die meisten Flüchtlinge (mehr als 800.000) stammten aus dem Südsudan. Viele von ihnen sind nun dazu gezwungen, in ihr Heimatland zurückzukehren.
Der Großteil der Flüchtlinge und Binnenvertriebenen (etwa 61 Prozent) im Sudan lebte außerhalb von Flüchtlingslagern in Dörfern, Städten und Siedlungen in einigen der ärmsten Regionen des Landes. Die Mehrheit der Flüchtlinge und Asylsuchenden lebt in großer Armut und hat nur begrenzten Zugang zu Existenzgrundlagen.
Menschen in die Nachbarländer geflohen
Binnenvertriebene
der Flüchtlinge in den Nachbarländern sind Kinder
Geschichte des Konfliktes
Jahrzehntelang wurde der Sudan von einem Bürgerkrieg um die Unabhängigkeit des Südsudans erschüttert. Millionen Menschen wurden in die Flucht getrieben. Ursachen der Konflikte in der Region sind die Auseinandersetzung um Rohstoffvorkommen, ethnische und religiöse Konflikte sowie der Klimawandel und seine Folgen.
Im Jahr 2003 eskalierte der Konflikt in der im Westen gelegenen Region Darfur. Die Region wurde nicht in die Friedensgespräche zwischen Norden und Süden des Landes eingebunden und wurde in der Ressourcen- und Machtverteilung benachteiligt. Hundertausende flohen vor den Gewaltausbrüchen verschiedener Rebellengruppen in den Tschad. 2020 leben dort noch immer 360.000 Flüchtlinge aus dem Sudan.
Am 09. Juli 2011 wurde der Bürgerkrieg im Sudan mit einem internationalen Referendum beendet. Die Bürger des Südens des Landes stimmten für die Unabhängigkeit des Südsudans. Am 9. Juli 2011 wurde Südsudan unabhängig. 2013 flammte der Bürgerkrieg in dem jungen Staat jedoch erneut auf und es kam zu Ausschreitungen. Dieser Konflikt wurde ausgelöst durch ethnische und wirtschaftliche Auseinandersetzung, insbesondere über die Ölförderung und die damit verbundenen Einnahmen.
Die Sicherheitslage im Sudan wird von der UN bis heute als kritisch eingestuft. Die Bevölkerung leidet unter Gewalt und Menschenrechtsverletzungen.
Was passiert aktuell im Sudan?
Seit der Absetzung des Langzeitpräsidenten Bashir im Jahr 2019, wurde der Sudan von einer Übergangsregierung geleitet. 2022 sollte diese von einer gewählten Regierung abgelöst werden. Trotzdem verschlechterte sich die Sicherheitslage im Sudan zunehmend. Das Land leidet unter einer schlechten Wirtschaftslage, Liquiditätsprobleme, der Treibstoffkrise und der Inflation.
Nach wochenlangen Spannungen kam es am 25. Oktober 2021 zur Machtübernahme durch das Militär, das die Übergangsregierung entmachtete. Seither regiert Armeechef Abdel Fattah al Burhan das Land mit harter Hand. Regelmäßig kam es zu Massendemonstrationen. Hilfsgelder der internationalen Gemeinschaft wurden eingefroren.
Mitte April 2023 begannen Kämpfe zwischen Armeeeiheiten al-Burhans und seines Stellvertreters Mohamed Hamdan Daglo, genannt "Hemeti" um die Vorherrschaft. Seither sind ausgehandelte Waffenstillstände immer wieder gebrochen worden und die Gewalt nimmt kein Ende. Auch die Region Darfur ist von den schweren Auseinandersetzungen betroffen. Die Menschen flüchten sich in die Nachbarländer Tschad und Ägypten. Viele Flüchtlinge aus Südsudan kehren auf der Flucht vor der Gewalt in ihre Heimat zurück.
In Wad Madani, im Sudan, haben seit Mitte Dezember 2023 heftige Kämpfe zwischen paramilitärischen Kräften und den sudanesischen Streitkräften Chaos verursacht. Luftangriffe, Schießereien und Verhaftungen nahmen zu, während die Stadt geplündert wurde, Märkte beschädigt wurden und die Treibstoffpreise in die Höhe schossen. Tausende flohen aus dem einst sicheren Hafen für Vertriebene. In Darfur eskalierte der Konflikt, was zu Opfern, Vertreibungen und Zerstörung führte.
Anfang Juli 2024 fanden erstmals Friedensgespräche in Kairo statt, leider mit wenig Aussicht für einen Frieden. Auch Mitte Juli gingen die Kämpfe mit unverminderter Härte weiter.
Zerstörte Lebensgrundlagen durch Krieg und Klimakrise
Durch den Konflikt wurden Ernten vernichtet und Lebensgrundlagen zerstört. Die Klimakrise macht die Vertriebenen noch verwundbarer. Überschwemmte Böden machen es den Menschen unmöglich, Getreide anzubauen und ihr Vieh zu weiden, was die Ernährungsunsicherheit in Gebieten, die in der Vergangenheit auch schon von Dürre und dem Konflikt betroffen waren, noch verstärkt. Klimaanpassungsmaßnahmen sind dringend erforderlich, um die Anfälligkeit für diese wiederholten Schocks zu verringern.
Wie hilft der UNHCR im Sudan?
Der UNHCR operiert im Sudan in einem extrem schwierigen Umfeld. Das Hauptziel des UNHCR ist, die Sicherheit und den Schutz der Flüchtlinge und Binnenvertriebenen zu garantieren.
Zu den Prioritäten im Sudan gehören darüber hinaus:
- Lebensrettende Unterstützung mit Diensten in den Bereichen Gesundheit, Wasser, Sanitärversorgung, Hygiene, Unterkunft und Schutz innerhalb der Lager.
- Die Flüchtlingscamps erweitern und neue Siedlungen errichten, um Flüchtlinge aus städtischen Gebieten unterzubringen und vor den Überschwemmungen in Sicherheit zu bringen.
- Es werden Hilfsgüter und Matarialien für Notunterkünfte verteilt und vorrätig gehalten, Abflüsse und Deiche gebaut sowie Straßen befestigt, um die Camps, in denen vertriebene Menschen nach Sicherheit suchten, zu schützen.
Die Überschwemmungen in der Region Darfur erschweren es den Hilfsorganisationen, Menschen in Not zu erreichen, selbst in Gebieten, die sonst zugänglich wären. Der Bedarf an humanitärer Hilfe in der Region nimmt gewaltige Ausmaße an, da Hunderttausende von Zivilisten weiterhin in Gefahr sind.
So hilft der UNHCR inden Nachbarländern
In den Nachbarländern setzt sich der UNHCR ein für:
- den Zugang zum Hoheitsgebiet und zum Asyl für alle Personen, die internationalen Schutz benötigen - in Übereinstimmung mit dem Grundsatz der Nichtzurückweisung und dem zivilen und humanitären Charakter des Asyls.
- rechtzeitigen lebensrettenden Schutz und humanitäre Hilfe für alle Menschen, die aus dem Sudan fliehen.
- die Identifizierung und Unterstützung der am meisten gefährdeten Schutzsuchenden, die spezielle Schutzmaßnahmen und andere Dienstleistungen benötigen.
- Zugang der Flüchtlinge aus dem Sudan in die nationalen Systeme, insbesondere zum Gesundheits- und Bildungswesen.
- Unterkunft in integrierten Siedlungen oder in ländlichen oder städtischen Gebieten, wo die Flüchtlinge ihren Lebensunterhalt verdienen können.
- Identifizierung der besonderen Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen und älteren Menschen, die einen erheblichen Prozentsatz der betroffenen Bevölkerung ausmachen.
- Schutz vor sexueller Ausbeutung und Missbrauch der Schutzsuchenden.
Das benötigte Budget für die UNHCR-Hilfsmaßnahmen im Sudan und den Nachbarländern liegen für 2024 bei 988,1 Millionen US-Dollar.
2023 unterstützte die UNO-Flüchtlingshilfe die UNHCR-Nothilfe für Flüchtlinge und Binnenvertriebene im Sudan mit rund 3 Millionen Euro.
So können Sie helfen
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