Afghanistan
© UNHCR/Jim Huylebroek

Afghanistan: Vertriebene in großer Not

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Wenn Unsicherheit und Hunger zum Alltag gehören

Stand: 15.06.2023

Afghanistan ist seit 40 Jahren von fortlaufender Unsicherheit und Konflikten sowie Vertreibung geprägt. Zusätzlich bedrohen extreme Wetterereignisse wie Erdbeben die Bevölkerung.

Mit dem Abzug der NATO- sowie US-Truppen im Herbst 2021 und der darauf folgenden Machtübernahme durch die Taliban erlebten große Teile der Bevölkerung erneut Angst und Schrecken. Seit 2021 flohen 1,6 Millionen Menschen aus Afghanistan. 5,2 Millionen Afghanen leben in den Nachbarländern. Davon sind rund 2,1 Millionen als Flüchtlinge oder Asyluchende registriert. In Pakistan liegt die Zahl der Flüchtlinge bei 1,3 Millionen. 750.000 afghanische Flüchtlinge leben im Iran.

Auch heute ist die Lage nach wie vor sehr angespannt: Die restriktive Politik gegenüber Frauen und Mädchen hat sich weiter verschärft – was auch die Möglichkeiten Afghanistans einschränkt, seinen Weg aus der Krise zu finden. Neben den häufigen Naturkatastrophen wie dem jüngsten Erdbeben im Juni 2022 spitzt sich auch die Wirtschaftskrise immer weiter zu: 20 Millionen Afghanen und Afghaninnen leiden unter akuter Ernährungsunsicherheit. Insbesondere die 3,2 Millionen Menschen, die durch den anhaltenden Konflikt im Land vertrieben wurden, sind extrem gefährdet.

UNHCR warnt vor Hungersnot

Seit drei Jahren ist es in Afghanistan zu trocken. Die Dürre führt zu einer bedrohlichen Nahrungsmittelsituation. 875.000 Kinder sind akut unterernährt und auch Schwangere oder stillende Mütter sind gefährdet. Die Bereitstellung von Nahrungsmitteln hat unmittelbare Priorität.

Zwei Drittel der afghanischen Bevölkerung - 28,3 Millionen Menschen - sind auf humanitäre Hilfe angewiesen.

Für die am stärksten gefährdeten Menschen werden dringend weitere Ressourcen benötigt: alleinerziehende Mütter ohne Unterkunft oder Nahrung für ihre Kinder, ältere Menschen, die vertrieben wurden, um verwaiste Enkelkinder zu versorgen, und diejenigen, die sich um Angehörige mit besonderen Bedürfnissen kümmern. Der UNHCR bringt Hilfsgüter per LKW-Konvois aus den Nachbarländern sowie mit humanitären Luftbrücken ins Land.

Bitte unterstützen Sie die UNHCR-Nothilfe in Afghanistan mit Ihrer Spende!

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Die wichtigsten Zahlen zu Flucht & Vertreibung in Afghanistan

2,1
Millionen

afghanische Flüchtlinge in den Nachbarländern

3,2
Millionen

Binnenvertriebene

52
Tausend

neue Binnenvertriebene in 2022

Zahl der Binnenvertriebenen in Afghanistan gestiegen

Politische, sicherheits- und sozioökonomische Entwicklungen sowie verheerende Dürreperioden führten in den letzten Jahren dazu, dass 3,25 Millionen Afghaninnen und Afghanen als Binnenvertriebene im eigenen Land lebten. In 2022 flohen über 52.100 Menschen innerhalb des Landes.

Traditionell werden in Afghanistan die Vertriebenen häufig von der lokalen Bevölkerung unterstützt, wobei die Binnenvertriebenen sich auf die Stammesstrukturen und die Hilfe der Familie stützen. Doch diese Unterstützung ist für viele Menschen kaum noch aufrecht zu erhalten, da sie selbst in Armut leben. Mehrfache Vertreibungen, die wirtschaftliche Instabilität sowie die Folgen der klimatischen Veränderungen, Dürren und Überschwemmungen erschweren das Überleben der Binnenvertriebenen.

Ich hole altes Brot vom Bäcker und dann tunken wir es in Wasser, um es weicher zu machen.

Wenn er etwas Geld hat, kauft Ahmed etwas Gemüse. “Feuerholz können wir uns nicht leisten.” Darum verbrennt Ahmed in dem kleinen Ofen Teppichreste und Abfälle von der Straße, damit es die Kinder warm haben. Der Rauch beißt in den Augen.

Mehr zur Situation der Vertriebenen in Afghanistan lesen Sie in unserem Blogbeitrag:

Hunger, Kälte und Verzweiflung

 

Steigender Hilfsbedarf in Afghanistan

Bereits vor dem Abzug der internationalen Truppen und der Machtübernahme der Taliban brauchten Binnenvertriebene, Flüchtlinge und Rückkehrer*innen sowie die Aufnahmegemeinden dringend Unterstützung. Das Leben der Menschen war und ist geprägt von:

  • Lebensmittelknappheit
  • unangemessenen Unterkünften
  • fehlendem Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung und Rechtsbeistand.

Aus diesem Grund benötigt Afghanistan Unterstützung bei der Stärkung der Infrastruktur sowie der Gemeinden, in denen Vertriebene und Rückkehrer*innen leben. Nur so kann eine nachhaltige Integration oder eine freiwillige Rückführung in die Heimat gelingen.

Aktuell stehen insbesondere Nothilfsmaßnahmen im Fokus. Der UNHCR ist vor Ort und tut sein Möglichstes, um die vertriebenen Afghanen und Afghaninnen zu unterstützen. Trotz der schwierigen Sicherheitslage haben der UNHCR und seine Partnerorganisationen weiterhin Zugang zu allen Provinzen.

So unterstützte der UNHCR 2022 Flüchtlinge und Vertriebene in Afghanistan

Im Jahr 2022 hat der UNHCR 5,5 Millionen Menschen unterstützt. Der UNHCR leistete lebensrettende Nothilfe, Infrastrukturprojekte wie der Bau von Schulen, Gemeindezentren, Wassersystemen und Gesundheitszentren und unterstütze gezielt Existenzgründungen von Frauen. Die Hilfe kam 3,3 Millionen Afghaninnen und Afghanen zugute.

975.700 Menschen haben Bargeldhilfe erhalten.

401.300 Menschen erhielten Unterstützung in Form von Sachleistungen.

25.000 Betroffene der Erdbeben im Januar und Juni 2022 wurden mit Zelten und Hausratsgegenständen versorgt.

Frauen in Afghanistan sind besonders bedroht

Rund 80 Prozent der Menschen, die sich 2021 in Afghanistan auf die Flucht begeben haben, sind Frauen und Kinder. Ihre Lebensbedingungen sind besonders dramatisch und besorgniserregend.

Nach dem Sturz des Taliban-Regime im Jahr 2001 hatte sich die Situation der Frauen zunächst verbessert. Mädchen konnten zur Schule gehen, Frauen studieren, einen Beruf ausüben oder auch selbständig sein. Die Zahl der Uniabsolventinnen stieg stetig und Afghanistan konnte sogar eine erste Wirtschaftsministerin verabschieden. Doch die Erinnerung an die Schreckensherrschaft der Taliban war noch stets präsent – besonders bei den Frauen. Auch zwei Jahrzehnte nach Anbruch einer neuen Ära, war die Sicherheitslage der Frauen schwierig. Immer wieder wurden sie gezielt Opfer von Femiziden, sexualisierter Gewalt und Bombenangriffen. Es kam wiederholt zu Anschlägen auf Geburtsstationen und Mädchenschulen.

Afghanischen Frauen werden Menschenrechte systematisch entzogen.

Seit dem Abzug der internationalen Truppen und spätestens seitdem die Taliban die Hauptstadt Kabul zurückerobert haben, fürchten die Frauen nun den Verlust ihrer Selbstbestimmung, der hart erkämpften Rechte und Freiheiten. Sie haben Angst vor sexualisierter Gewalt, bangen um die Zukunft ihrer Kinder und um ihr eigenes Leben. Die Taliban verfolgen das Ziel eines patriarchalen Gewaltsystems: eines Islamischen Afghanischen Emirates, in dem das Gesetz der Scharia gilt, in der Frauen- und auch andere Menschenrechte keine Gültigkeit mehr besitzen. Aktivist*innen oder Frauenrechtler*innen sind derzeit besonders in Gefahr. Die Frauen sind in Todesgefahr und fühlen sich alleine gelassen, wissen nicht was sie tun sollen und sind den Taliban schutzlos ausgeliefert. Sie brauchen so dringend wie nie internationale Hilfe. 

Seit Monaten nehmen die Taliban den afghanischen Frauen immer mehr Rechte, um sie systematisch vom sozialen, wirtschaftlichen und politischen Leben auszuschließen. Erst schlossen die Taliban Schulen für Mädchen nach der sechsten Klasse, dann kamen Reiseeinschränkungen und die Pflicht, sich in der Öffentlichkeit verschleiern zu müssen. Im Herbst 2022 wurde zudem Frauen verboten, Turnhallen, öffentliche Bäder sowie Parks zu betreten. Ende Dezember hat die Taliban Hilfsorganisationen aufgefordert, Frauen bis auf Weiteres von der Arbeit zu suspendieren und Frauen den Zugang zu Universitäten untersagt. Darüber hinaus werden weiterhin Rechtsverletzungen gemeldet, darunter Zwangsheiraten und Gewalt sowie die Inhaftierung von Demonstrantinnen, Frauenrechtsaktivistinnen und weiblichen Sicherheitskräften. All dies, zusammen mit Konflikten und durch den Klimawandel verursachten Katastrophen, führt zur Vertreibung von Frauen und Mädchen innerhalb und außerhalb des Landes.

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Das ist wichtig für uns. Mit dem Einkommen, das wir verdienen, können wir unseren Lebensunterhalt verdienen.

Die 40-jährige Khatima, Mutter und Rückkehrerin aus Pakistan, webt einen Kelimteppich. Ihre Arbeit ist eine wichtige Einnahmequelle für die Familie, da ihr Mann aufgrund gesundheitlicher Probleme kein stetiges Einkommen einbringen kann. Der UNHCR unterstützt Khatima mit Materialien für die Herstellung der Teppiche.

Wie hilft der UNHCR in Afghanistan?

Im Jahr 2022 konnte der UNHCR 5,5 Millionen Menschen unterstützen, vor allem mit Winterhilfen wie Materialien für Unterkünfte, Decken und Brennmaterial. Rückkehrer*innen hat der UNHCR Gelder für die Reparatur oder den Wiederaufbau bereitgestellt und Projekte zur Schaffung von Existenzgrundlagen durchgeführt. 

Dank der sich verbessernden Sicherheitslage konnte der UNHCR seine Präsenz seit August 2021 in Gebiete ausdehnen, zu denen er jahrzehntelang keinen Zugang hatte. Der UNHCR ist nun mit fast 300 Mitarbeiter*innen in neun Büros im ganzen Land vertreten.

Im Jahr 2022 konnten 975.700 Menschen mit Bargeld unterstützt werden, um ihre Grundbedürfnisse zu decken. „Cash-for-Work"-Programme, die den Bau von Straßen und die Säuberung von Kanälen beinhalten, verschaffen 4.000 Arbeiter*innen ein Einkommen und unterstützen rund 28.000 Familienmitglieder. 

Nach dem Erdbeben im Juni lieferte der UNHCR Zelte, Haushaltswaren, Hygieneartikel und Solarlampen. Der Bau von 2.300 erdbebensicheren Häusern in den beiden am stärksten vom Erdbeben betroffenen Provinzen ist in Planung.

Zudem hat der UNHCR eine Reihe von Empowerment-Zentren eingerichtet, in denen Frauen Computer- und Programmierkurse besuchen oder Schulungen und Unterstützung bei der Führung von Unternehmen erhalten können. Im ganzen Land führen wir außerdem Projekte zur Sicherung des Lebensunterhalts durch, wie z. B. mobile Bäckereien, Schneidereischulungen und Geflügelzuchtprojekte, die Frauenhaushalte aus der Armut befreien.

Die UNO-Flüchtlingshilfe unterstützte die Arbeit in Afghanistan 2022 mit 4 Millionen Euro.

Afghanische Flüchtlinge in den Nachbarländern

In den letzten vier Jahrzehnten haben Millionen afghanischen Flüchtlinge Schutz in Iran und Pakistan gefunden, den unmittelbaren Nachbarländern, die seit Jahrzehnten und Generationen Gastfreundschaft und eine integrative Politik betreiben. Insgesamt leben rund sechs Millionen Afghan*innen mit unterschiedlichem Status in Iran und Pakistan. Die Zahl der Flüchtlinge in den Nachbarländern lag Mitte 2023 bei 2,1 Millionen. Die Zahl der Rückkehrer*innen aus Pakistan und dem Iran nach Afghanistan ist wegen der äußerst prekären humanitären Lage, der Menschenrechtsverletzungen und des fragilen wirtschaftlichen Umfelds in 2022 stark gesunken (Stand Dez. 2022: 6.148).

In Afghanistan leben 3,25 Millionen Binnenvertriebene. Sie sind es, die jetzt besonders dringend Unterstützung und humanitäre Hilfe benötigen.

Unterfinanzierung der Hilfsmaßnahmen

Die Hilfen des UNHCR in Afghanistan waren in den letzten Jahren immer wieder stark unterfinanziert. Dadurch kam es immer wieder zu Einschränkung bei geplanten Projekten und Maßnahmen. Insbesondere die Bereiche Gesundheitsdienst, Schulbau und berufliche Aus- und Fortbildung müssen immer wieder gekürzt oder ausgesetzt werden.

In 2020 musste der UNHCR bereits die Anzahl der Schulen, die beim Bau unterstützt wurden, verringern. Und auch die Unterstützung durch Bargeldhilfen und Sachleistungen für Menschen mit besonderen Bedürfnissen – darunter fallen gefährdete Frauen, Überlebende von sexueller Gewalt oder Menschen mit Behinderung – musste gekürzt oder unterbrochen werden. Dies erhöht die Anfälligkeit der äußerst schutzbedürftigen Personen für Missbrauch und Ausbeutung. Aber auch Projekte in den Nachbar- und damit Aufnahmeländern sind immer wieder gefährdet. Darunter Bargeldhilfen, die medizinische Versorgung oder die Bereitstellung von Medikamenten.

Der Bedarf für die Nothilfe für Afghanistan in 2023 liegt bei über 215 Millionen €, von denen bis April 2023 bislang nur 28% finanziert wurden.

Um den Menschen in Not helfen zu können, brauchen wir dringend Ihre Unterstützung! Gemeinsam können wir dabei helfen, dass Finanzierungslücken geschlossen werden und überlebenswichtige Projekte weiterlaufen können.

 

 

Schülerinnen in Afghanistan

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Abschiebungen nach Afghanistan

Lange galt Afghanistan für die Bundesregierung als sicheres Herkunftsland. Bis Anfang August 2021 hatte sich das Bundesinnenministerium noch für Abschiebungen nach Afghanistan ausgesprochen, da man befürchtete, Afghan*innen sonst zu „motivieren“ nach Europa zu kommen. Seit dem 12.08.2021 werden nun jedoch Abschiebungen aus Deutschland nach Afghanistan bis auf Weiteres ausgesetzt. Die Gefahr für die abzuschiebenden Menschen, sowie deren Begleiter*innen (auf eine abzuschiebende Personen kommen im Durschnitt drei Begleitpersonen), ist zu groß.

40 Jahre Afghanistan: Eine Chronik von Konflikt & Gewalt

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