Wenn Unsicherheit und Hunger zum Alltag gehören
Stand: 14.2.2025
Afghanistan ist seit 40 Jahren von fortlaufender Unsicherheit und Konflikten sowie Vertreibung geprägt. Zusätzlich bedrohen extreme Wetterereignisse sowie Erdbeben die Bevölkerung.
Die Lage in Afghanistan ist nach wie vor sehr angespannt: Die restriktive Politik gegenüber Frauen und Mädchen hat sich weiter verschärft – was auch die Möglichkeiten Afghanistans einschränkt, seinen Weg aus der Krise zu finden. Durch die Klimakrise kommt es immer häufiger zu Naturkatastrophen wie die Überschwemmungen im Frühjahr 2024, durch die viele Menschen ihr Dach über dem Kopf verloren. Gleichzeitig spitzt sich die Wirtschaftskrise immer weiter zu. Etwa ein Viertel der Bevölkerung hat keinen ausreichenden Zugang zu Nahrung. Insbesondere die 3,2 Millionen Menschen, die durch den anhaltenden Konflikt im Land vertrieben wurden, sind extrem gefährdet. Zwischen 2021 und 2024 kehrten 1,6 Million Binnenvertriebene in ihre Heimatregionen zurück.
Mit dem Abzug der NATO- sowie US-Truppen im Herbst 2021 und der darauf folgenden Machtübernahme durch die Taliban leben große Teile der Bevölkerung, insbesondere Frauen, erneut in Angst und Schrecken. Seit 2021 flohen mehr als 1,6 Millionen Menschen aus Afghanistan. Insgesamt leben aktuell mehr als 5,5 Millionen Afghanen und Afghaninnen in den Nachbarländern. Seit September 2023, als Pakistan Maßnahmen zur Ausweisung afghanischer Flüchtlinge traf, sind rund 825.600 afghanische Flüchtlinge in ihr Heimatland zurückgekehrt.
Die UN schätzen, dass 2024 über 23 Millionen Menschen dringend auf humanitäre Hilfe angewiesen sind.

Winter verschlimmert die Not in Afghanistan
Zu Beginn des Winters, spitzt sich die Situation der Menschen in Afghanistan weiter zu. Die Temperaturen können in höhergelegenen Regionen auf bis zu -25 °C fallen.
Millionen leben in Afghanistan als Vertriebene im eigenen Land
Unterdrückung, Gewalt und Umweltkatastrophen - Dürren und Überschwemmungen - führen dazu, dass 3,25 Millionen Afghaninnen und Afghanen als Binnenvertriebene im eigenen Land leben.
Traditionell werden in Afghanistan die Vertriebenen häufig von der lokalen Bevölkerung unterstützt, wobei die Binnenvertriebenen sich auf die Stammesstrukturen und die Hilfe der Familie stützen. Doch diese Unterstützung ist für viele Menschen kaum noch aufrecht zu erhalten, da sie selbst in Armut leben. Mehrfache Vertreibungen, die wirtschaftliche Instabilität sowie die Folgen der klimatischen Veränderungen, Dürren und Überschwemmungen erschweren das Überleben der Binnenvertriebenen.
Ich hole altes Brot vom Bäcker und dann tunken wir es in Wasser, um es weicher zu machen.
Wenn er etwas Geld hat, kauft Ahmed etwas Gemüse. “Feuerholz können wir uns nicht leisten.” Darum verbrennt Ahmed in dem kleinen Ofen Teppichreste und Abfälle von der Straße, damit es die Kinder warm haben. Der Rauch beißt in den Augen.

Afghanische Flüchtlinge in den Nachbarländern
In den letzten vier Jahrzehnten haben Millionen afghanischen Flüchtlinge Schutz in Iran und Pakistan gefunden, den unmittelbaren Nachbarländern, die seit Jahrzehnten und Generationen Gastfreundschaft und eine integrative Politik betreiben. Insgesamt leben 5,5 Millionen Afghan*innen mit unterschiedlichem Status in Iran und Pakistan. In Pakistan leben circa 1,75 Millionen registrierte Flüchtlinge. Dazu kommen über 1 Million afghanische Flüchtlinge ohne Papiere. Im Iran leben nach offiziellen Angaben 3,75 Millionen Flüchtlinge aus Afghanistan.
Die pakistanische Regierung kündigte im Oktober 2023 verstärkt Rückführungen von afghanischen Flüchtlingen an, die keine Papiere besaßen. Seitdem sind rund 825.600 afghanische Flüchtlinge aus Pakistan zurückgekehrt. Mindestens 39.400 Menschen wurden deportiert. 50% der zurückkehrenden Flüchtlinge aus Pakistan sind Frauen unhd Mädchen. Im Juli 2024 beschlossen die pakistanischen Behörden die Rückführung von illegal im Land lebenden Flüchtlingen bis auf weiteres zu beenden. Und auch diejenigen, die im Besitz eines UNHCR-Ausweises sind, sind bis Sommer 2025 von einer Abschiebung ausgenommen.
Die Gruppe der Rückkehrer*innen umfasst viele schutzbedürftige Personen, darunter Frauen und Kinder, die nun vor den Herausforderungen eines bevorstehenden harten Winters stehen. Die ungewissen Zukunftsaussichten und insbesondere Bedenken bezüglich der persönlichen Sicherheit in Afghanistan schaffen zudem große Verunsicherung.
Nach der Ankündigung der pakistanischen Regierung verstärkte der UNHCR an den Grenzen die Schutzmaßnahmen, um gefährdete Gruppen zu identifizieren und zu unterstützen. Zugleich bekommen die Rückkehrer dringend benötigte Hilfe, da sie meist über äußerst begrenzte Mittel verfügen. Durch die Verteilung von Bargeldhilfen und Hilfsgütern, versucht der UNHCR, das Überleben und die Würde dieser Gemeinschaften zu gewährleisten.

Das Leben ist besser geworden. Nun können wir neue Träume und Pläne haben. Elektrizität oder ein Rohrsystem für die Versorgung des Dorfes mit Trinkwasser …"
Hoch oben in den Bergen von Bamiyan erklärt das der Bauer Alijuma Nikbakht. Im Dorf wurden vor dem Winter neue Unterkünfte vom UNHCR und einem lokalen Partner gebaut. Viele Familien lebten zuvor in fast baufälligen alten Häusern aus Lehm und Holz. Die neuen Zwei-Zimmer-Häuser verfügen über eine traditionelle Heizung, Bukhari genannt, und eine Außentoilette.
Steigender Hilfsbedarf in Afghanistan
Bereits vor dem Abzug der internationalen Truppen und der Machtübernahme der Taliban brauchten Binnenvertriebene, Flüchtlinge und Rückkehrer*innen sowie die Aufnahmegemeinden dringend Unterstützung. Das Leben der Menschen war und ist geprägt von Armut, Lebensmittelknappheit, unangemessenen Unterkünften sowie fehlendem Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung und Rechtsbeistand.
Große Teile der Bevölkerung sind von Mangelernährung betroffen. Einer der Gründe ist die jahrelange Dürre. In den Jahren 2021 und 2022 erreichte die Hungersnot ihren Höhepunkt. Laut Welternährungsorganisation (WFP) leiden aktuell 12,4 Millionen Menschen im Land akut Hunger.
Viele Gemeinden benötigen Unterstützung beim Aufbau der Infrastruktur, damit eine nachhaltige Integration von zurückkehrenden Vertriebenen oder eine freiwillige Rückführung der Flüchtlinge aus den Nachbarländern gelingt. Aktuell stehen insbesondere Nothilfsmaßnahmen und die Winterhilfe im Fokus.
So unterstützt der UNHCR 2024 Flüchtlinge und Vertriebene in Afghanistan
2024 hat der UNHCR bis Oktober über 1 Million Menschen unterstützt. Der UNHCR leistete lebensrettende Nothilfe, Infrastrukturprojekte wie der Bau von Schulen, Gemeindezentren, Wassersystemen und Gesundheitszentren.
256.600 Menschen haben Bargeldhilfe erhalten.
904.400 Menschen erhielten Unterstützung in Form von Sachleistungen und kommunalen Diensten.

432.200 Rückkehrer*innen bekamen Unterstützung in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Unterkünfte.
Frauen in Afghanistan sind besonders bedroht
Nach dem Sturz des Taliban-Regime im Jahr 2001 hatte sich die Situation der Frauen zunächst verbessert. Mädchen konnten zur Schule gehen, Frauen studieren, einen Beruf ausüben oder auch selbständig sein. Die Zahl der Uniabsolventinnen stieg stetig und Afghanistan konnte sogar eine erste Wirtschaftsministerin verabschieden. Doch die Erinnerung an die Schreckensherrschaft der Taliban war noch stets präsent – besonders bei den Frauen. Auch zwei Jahrzehnte nach Anbruch einer neuen Ära, war die Sicherheitslage der Frauen schwierig. Immer wieder wurden sie gezielt Opfer von Femiziden, sexualisierter Gewalt und Bombenangriffen. Es kam wiederholt zu Anschlägen auf Geburtsstationen und Mädchenschulen.
Afghanischen Frauen werden Menschenrechte systematisch entzogen.
Seit dem Abzug der internationalen Truppen und spätestens seitdem die Taliban die Hauptstadt Kabul zurückerobert haben, fürchten die Frauen nun den Verlust ihrer Selbstbestimmung, der hart erkämpften Rechte und Freiheiten. Unter den fundamentalistischen Taliban sind besonders Aktivist*innen oder Frauenrechtler*innen in Gefahr. Viele Frauen sind in Todesgefahr und fühlen sich alleine gelassen und sind den Taliban schutzlos ausgeliefert.
Die Taliban verwehren den afghanischen Frauen immer mehr Rechte, um sie systematisch vom gesellschaftlichen Leben auszuschließen. Erst schlossen die Taliban Schulen für Mädchen nach der sechsten Klasse, dann kamen Reiseeinschränkungen und die Pflicht, sich in der Öffentlichkeit verschleiern zu müssen. Im Herbst 2022 wurde zudem Frauen verboten, Turnhallen, öffentliche Bäder sowie Parks zu betreten. Hilfsorganisationen wurden aufgefordert, Frauen bis auf Weiteres von der Arbeit zu suspendieren und Frauen den Zugang zu Universitäten untersagt. Im August 2024 haben die Taliban ein sogenanntes “Tugend”-Gesetz verabschiedet, das die Verschleierungsvorschriften für Frauen noch weiter verschärft und ihnen verbietet sich öffentlich zu äußern. Darüber hinaus werden weiterhin Rechtsverletzungen gemeldet, darunter Zwangsheiraten und Gewalt sowie die Inhaftierung von Demonstrantinnen, Frauenrechtsaktivistinnen und weiblichen Sicherheitskräften.
Früher saß ich zu Hause und konnte nirgendwo hingehen. Aber jetzt kann ich meine eigenen Aufgaben erledigen.
Hilai wurde mit 14 Jahren blind nach einem Angriff von militanten Kämpfern. Frauen mit Sehbehinderung sind in Afghanistan oftmals ans Haus gekettet und verbringen die meiste Zeit hinter verschlossenen Türen. Mit Hilfe des UNHCR kann sich Hilai nun in einem Klassenraum in der Provinz Nangarhar nun mit anderen Mädchen treffen, lernt die Blindenschrift und erhält psychische Unterstützung.

Umweltkatastrophen erschweren das Leben
Immer wieder haben die Menschen in Afghanistan mit verheerenden Katastrophen, wie Erdbeben, Überschwemmungen oder Dürren zu kämpfen. Im Oktober 2023 erschütterten drei Erdbeben innerhalb von acht Tagen den Westen des Landes. Mehr als 1.400 Menschen kamen ums Leben, über 90 Prozent von ihnen Frauen und Kinder. Tausende Gebäude wurden zerstört oder beschädigt.
Im Mai 2024 kam es zu schweren Flutkatastrophe, ausgelöst durch Starkregen, bei der über 300 Menschen starben. Für das tägliche Leben und auch die humanitäre Hilfe wichtige Infrastruktur, wie Straßen und Brücken aber auch tausende Gebäude wurden zerstört.

Wie hilft der UNHCR in Afghanistan?
Internationalen Hilfsorganisationen wird die Arbeit im Land schwer gemacht. Trotzdem verbleibt der UNHCR vor Ort und konnte bis Oktober 2024 rund 1,16 Millionen Menschen in allen Provinzen Afghanistans unterstützen. Vor allem mit Bargeldhilfe sowie Sachgegenständen. Rückkehrer*innen hat der UNHCR Gelder für die Reparatur oder den Wiederaufbau bereitgestellt und Projekte zur Schaffung von Existenzgrundlagen durchgeführt. 2024 konnten über 4.700 Haushalte mit Bargeld unterstützt werden, um ihre Grundbedürfnisse zu decken. Nach den Überschwemmungen wurden neben Nothilfepaketen auch 2.600 Bekleidungspakete an Familien verteilt.
Darüber hinaus hilft der UNHCR beim Bau von Gesundheits- und Gemeindezentren, Schulen und sogenannter WASH-Infrastruktur, d.h. Sanitäranlagen, Wasserver- und Abwasserentsorgung. Der UNHCR unterstützt darüber hinaus die berufliche Aus- und Weiterbildung von Vertriebenen und Rückkehrern, um ihnen einen Neuanfang zu ermöglichen.
Unterfinanzierung der Hilfsmaßnahmen
Die Hilfen des UNHCR in Afghanistan waren in den letzten Jahren stark unterfinanziert. Dadurch kam es immer wieder zu Einschränkung bei geplanten Projekten und Maßnahmen. Insbesondere die Bereiche Gesundheitsdienst, Schulbau und berufliche Aus- und Fortbildung mussten wiederholt gekürzt oder ausgesetzt werden.
Wenn die Unterstützung durch Bargeldhilfen und Sachleistungen für Menschen mit besonderen Bedürfnissen – darunter fallen gefährdete Frauen, Überlebende von sexueller Gewalt oder Menschen mit Behinderung – gekürzt oder unterbrochen werden müssen, erhöht dies die Anfälligkeit der schutzbedürftigen Personen für Missbrauch und Ausbeutung. Aber auch Projekte in den Nachbar- und damit Aufnahmeländern sind immer wieder gefährdet. Darunter Bargeldhilfen, die medizinische Versorgung oder die Bereitstellung von Medikamenten.
Der Bedarf für die Nothilfe für Vertriebene in Afghanistan und Flüchtlinge in den Nachbarländern in 2024 lag bei über 455 Millionen Euro, von denen bis Ende des Jahres nur 68% finanziert wurden.
Um den Menschen in Not helfen zu können, brauchen wir dringend Ihre Unterstützung! Gemeinsam können wir dabei helfen, dass Finanzierungslücken geschlossen werden und überlebenswichtige Projekte weiterlaufen können.

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