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Die eigene Geschichte weitergeben: Engagement als Flüchtling

Elham Neda kam vor fast drei Jahren nach Deutschland. Jetzt engagiert er sich im Projekt "Angekommen" in Dortmund und gibt seine eigenen Erfahrungen und Motivation an junge Geflüchtete weiter.

UNO-Flüchtlingshilfe: Seit wann bist Du in Deutschland?

Elham Neda: Ich bin im April 2020 als Flüchtling nach Deutschland gekommen. Früher habe ich als Assistent des Sprechers des Innenministeriums in Afghanistan gearbeitet. Durch die Entwicklungen in meinem Heimatland wurde diese Tätigkeit für mich zum Problem und ich musste mein Land verlassen und nach Europa flüchten. Wegen der Corona-Situation hat sich die Bearbeitung meines Falls etwas gezogen, aber im September 2021 habe ich den Flüchtlingsstatus erhalten und dann im September 2022 schließlich die Aufenhaltsgenehmigung bekommen.

Zuerst bin ich nach Frankfurt/Gießen gegangen, dort habe ich Asyl beantragt. Sie haben mich dann nach Thüringen geschickt, in eine kleine Stadt namens Schmalkalden. Dort bin ich etwa ein Jahr geblieben. Ich habe das Leben in der kleinen Stadt sehr geschätzt, aber leider gab es dort keine Jobmöglichkeiten, mit denen ich meine Kenntnisse und Qualifikationen hätte erweitern können. Genau das wollte ich aber. Deshalb bin ich nach Dortmund gegangen, dort habe ich dann auch einen Job gefunden und lebe hier seit ca. elf Monaten.

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UNO-Flüchtlingshilfe: Was war Dein erster Eindruck von Deutschland?

Elham Neda: Mein erster Eindruck war wirklich gut! Flüchtlinge sind hier viel willkommener als in jedem anderen Land, das ich seit meiner Flucht durchquert habe. Ich wurde hier offen und warmherzig empfangen. Für mich ist Deutschland der Ort, an dem ich wertvolle Erfahrungen sammeln und meine selbstgesetzten Ziele erreichen kann. Ich war auch sehr überrascht, dass ich meine Aufenthaltsgenehmigung so schnell bekommen habe. In den anderen Ländern, in denen ich vorher war, hat mich niemand so ernst genommen und sich für mich, meine Geschichte und auch meine Sorgen interessiert. Das war in Deutschland ganz anders.

UNO-Flüchtlingshilfe: Gab es bestimmte Einrichtungen oder Personen, die Dich bei Deiner Ankunft in Deutschland unterstützt haben?

Elham Neda: Um ehrlich zu sein: nein. Aber das lag auch daran, dass ich mir absichtlich keine Hilfe gesucht habe. Ich war überzeugt, dass ich das auch alleine schaffen kann. Ich kenne allerdings einige Organisationen, die vielen Flüchtlingen geholfen haben und die sicherlich auch alle einen guten Job machen.

Wenn man sein Land verlassen muss, ist einem klar, dass einem dadurch einige Möglichkeiten nicht mehr zur Verfügung stehen, die vorher selbstverständlich waren. Deshalb war es für mich besonders wichtig, mich über das Internet zu informieren: Ich habe nach ähnlichen Fällen wie meinem recherchiert und mich schlau gemacht, welche Option die beste für mich ist. Ich hatte außerdem Bedenken mir Hilfe zu holen, weil ich in dieser Situation nicht hilfsbedürftig und verletzlich wirken wollte.

UNO-Flüchtlingshilfe: Wie hast Du von dem Projekt „Angekommen“ erfahren?

Elham Neda: Ich habe in Dortmund in einem anderen Job gearbeitet, der aber nicht so gut zu mir gepasst hat: Ich habe einen Studienabschluss und schon einige Arbeitserfahrung und war nicht zufrieden. Deshalb habe ich nach weiteren Optionen gesucht, wie ich mein Wissen anwenden kann. Ich habe dann nach verschiedenen Jobs und Institutionen gesucht und auch eine Anzeige geschrieben, in der ich Nachhilfe in Englisch angeboten habe.

So ist das Projekt „Angekommen“ auf mich aufmerksam geworden. Der Leiter des Projekts hat gesagt: „Wir wissen, dass Dein Deutsch nicht perfekt ist, Dein Englisch aber schon“. Er hat mir die Mitarbeit angeboten und auch die Möglichkeit, dass ich mich bei ihnen weiterentwickeln kann. Für Flüchtlinge ist das Projekt unter anderem eine sehr gute Möglichkeit, um sowohl Englisch als auch Deutsch neben der Schule zu lernen.

UNO-Flüchtlingshilfe: Warum ist es für Dich wichtig, Dich in dem Projekt zu engagieren?

Elham Neda: Ich bin selbst Flüchtling: Ich möchte anderen Flüchtlingen helfen – oder auch anderen Menschen ohne Fluchterfahrung – ihre Ziele im Leben zu erkennen und sie dabei unterstützen, diese zu erreichen. Ich war 17 Jahre alt, als ich im Innenministerium angefangen habe und habe dort ungefähr fünf Jahre gearbeitet. Ich bin dort mit ganz unterschiedlichen Menschen und Teilen der Gesellschaft in Kontakt gekommen, unter anderem auch Menschenrechtsaktivist*innen und deren Leidenschaft hat mich angesteckt. Das hat mir auch ein gewisses Selbstbewusstsein verliehen. Und das fühle ich auch bei der Arbeit bei „Angekommen“.

Man tut etwas für eine andere Person und hat das Gefühl: Ich kann anderen helfen und meine Erfahrungen mit ihnen teilen. Es ist vielleicht nicht mein eigenes Land, aber ich tue etwas Gutes in einem anderen Land. Die Menschen, mit denen ich arbeite, sind etwa in dem gleichen Alter wie ich damals, ich erkenne mich in ihnen und ihrer Geschichte wieder und das motiviert mich noch mehr, ihnen zu helfen und sie zu unterstützen, ihre Träume zu verwirklichen.

Und der dritte Grund ist das gesamte Team von „Angekommen“: Alle sind super freundlich. Egal, was Du sagst oder welche Ideen Du einbringst: Sie nehmen alles offen und unvoreingenommen auf.

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UNO-Flüchtlingshilfe: Gab es einen Moment bei Deiner Arbeit, der Dir besonders in Erinnerung geblieben ist?

Elham Neda: Direkt am ersten Tag hat mich ein Teilnehmer des Projekts gefragt, wie viele Sprachen ich sprechen kann. Ich spreche fünf Sprachen und habe sie für ihn aufgezählt. Er kam wie ich aus Afghanistan und war darüber sehr überrascht. Das war für mich schockierend und gleichzeitig herzzerreißend, weil die Menschen in Afghanistan nicht die Gelegenheit haben, sich mit verschiedenen Kulturen auszutauschen und unterschiedliche Sprachen zu lernen.

Ich hatte durch meinen Beruf das Privileg, aber der Großteil der Bevölkerung hat es nicht. Deswegen ist es besonders schön, dass man bei „Angekommen“ die Möglichkeit hat, verschiedene Sprachen und Kulturen kennenzulernen und sich weiterzuentwickeln.

UNO-Flüchtlingshilfe: Was wünschst Du Dir im Hinblick auf Flüchtlingshilfe?

Elham Neda: Zunächst einmal wünsche ich mir, dass es weniger Hürden gibt, die Menschen in ihren Zielen beschränken und ihre Perspektiven begrenzen. Deutschland ist ein sehr gutes Land, die Menschen hier sind sehr nett und freundlich. Das einzige Problem, was ich sehe, ist die Bürokratie, die sehr zeitraubend und aus meiner Sicht häufig nicht wirklich zielführend ist. Sie zerstört auch viele Träume. Da sollten die Behörden flexibler agieren.

Ich wünsche mir außerdem, dass den Menschen, die noch nicht Deutsch sprechen können, die Möglichkeit und auch das Vertrauen gegeben wird, die Sprache zu lernen und dass sie dabei unterstützt und motiviert werden. Niemand kann eine Sprache von Anfang an direkt perfekt sprechen.

UNO-Flüchtlingshilfe: Was sind Deine Pläne für die Zukunft?

Elham Neda: Aktuell arbeite ich an zwei Tagen pro Woche in dem Projekt. Daneben habe ich noch zwei andere Jobs. Dortmund ist eine der besten Städte, in denen ich je war. Alle sind super freundlich und offen, es gibt viele Möglichkeiten, um sich weiterzubilden, zum Beispiel im Bereich IT. Als studierter Sozialwissenschaftler sehe ich viel Potential in diesem Feld, insbesondere für Flüchtlinge und Dortmund ist in diesem Bereich sehr weit fortgeschritten. Ich möchte erst einmal hierbleiben und mich so gut es geht weiterentwickeln und hier ein gutes Leben haben.

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