Humanitäre Krise in der Ukraine
Stand: 8.6.2023
+++ Nach der Zerstörung des Kachowka-Staudamms in der Nacht zum Dienstag, 6.6.2023, hat der UNHCR in den ersten 24 Stunden Nothilfegüter für über 2.000 Personen verteilt. Rund 16.000 Menschen sollen direkt von den Überschwemmungen betroffen sein. Das Wasser überflutete weite Gebiete der Südukraine, zerstörte Häuser und Infrastruktur. Zehntausende Menschen sind ohne sauberes Trinkwasser. +++

Ein Drittel der Bevölkerung auf der Flucht
Seit Beginn der russischen Invasion im Februar 2022 wurde ein Drittel der ukrainischen Bevölkerung zur Flucht gezwungen. Damit ist dies heute die größte Vertreibungskrise der Welt. Über 5 Millionen Menschen sind innerhalb des Landes auf der Flucht.
Über 8,2 Millionen Menschen aus der Ukraine leben mittlerweile in europäischen Staaten als Flüchtling. Da es innerhalb des Schengen-Raumes nur wenige Grenzkontrollen gibt, bleibt es schwierig, genaue Zahlen zu ermitteln. 5,1 Millionen von ihnen sind im Zuge der Massenzustrom-Richtlinie in der EU registriert.
Doch viele Menschen gehen auch immer wieder in die Ukraine zurück, wenn ihre Heimatregionen als sicher gemeldet werden. Die Hilfsorganisationen sprechen von "Pendelbewegungen".
Überlebenswichtige Hilfe für die Ukraine
Durch massive Verwüstungen und die Zerstörung der zivilen Infrastruktur können in der Ukraine jedoch weiterhin viele eingeschlossene Menschen ihre Grundbedürfnisse nicht befriedigen – dazu gehört die Versorgung mit Lebensmitteln, Wasser und Medikamenten. Die Lieferung von lebensrettenden Hilfsmitteln bleibt schwierig, da es in den umkämpften Gebieten keinen sicheren Zugang für humanitäre Hilfe gibt. Der UNHCR und seine Partnerorganisationen bemühen sich weiterhin, die am stärksten Betroffenen mit lebensrettender Hilfe zu erreichen. So konnten 2022 4,75 Millionen Menschen mit Bargeld, Rechtsberatung und lebensnotwendigen Gütern versorgt werden.

Exodus in Zahlen
ukrainische Flüchtlinge in Europa - der Großteil von ihnen sind Frauen & Kinder.
Menschen sind innerhalb der Ukraine auf der Flucht.
sind in der Ukraine auf humanitäre Hilfe angewiesen.
Das UNHCR-Datenportal liefert regelmäßig die neusten Zahlen und Informationen
zur Situation der Flüchtlinge aus der Ukraine: https://data2.unhcr.org/en/situations/ukraine/
Die humanitären Folgen für die Zivilbevölkerung werden verheerend sein.
Filippo Grandi, UN-Hochkommissar für Flüchtlinge
In den schlimmsten Momenten ist Ihre Hilfe lebenswichtig.
Bitte helfen Sie mit Ihrer Spende!
Tödlicher Konflikt mitten in Europa
Der Konflikt begann bereits im Frühjahr 2014. Seitdem schwelt im Osten der Ukraine ein nicht endender Kampf, in dem bereits tausende Zivilisten getötet und verletzt wurden.
Für die Menschen in der Ostukraine gehörten seit Jahren die Angst vor Beschuss, gewaltsamen Zusammenstößen oder die Gefahr durch die vielen Landminen und Blindgänger zum Alltag. Die Versorgung der Bevölkerung, vor allem der älteren Menschen, Kranken und Behinderten, war extrem schwierig
Im Verlauf der letzten Jahre bemühten sich zwar die beteiligten Akteure und Dritte mehrfach um die Umsetzung eines Waffenstillstandes. So einigte man sich bereits Anfang 2015 mit der Annahme des Minsker Abkommens auf einen teilweisen Waffenstillstand entlang der rund 450 Kilometer langen "Kontaktlinie", die das Gebiet in unter und außerhalb der Kontrolle der ukrainischen Regierung unterteilt. Doch dieser hielt - ebenso wie alle seitdem ausgehandelten Feuerpausen - nicht.
Seit fast 30 Jahren in der Ukraine aktiv
Der UNHCR ist seit 1994 in der Ukraine tätig und hat Büros an sechs Standorten im ganzen Land sowie Lager in drei Gebieten, um humanitäre Hilfsgüter zu lagern.
Schon vor Beginn der jetzigen Militäraktion war der humanitäre Bedarf hoch. Rund 3 Millionen Menschen waren auf Hilfe angewiesen, darunter mehr als 850.000 Binnenvertriebene, sowie rund 5.000 Asylsuchende und Flüchtlinge, die in der Ukraine Zuflucht gesucht hatten, und etwa 36.000 Staatenlose und von Staatenlosigkeit bedrohte Menschen.

Die Winter in der Ukraine sind hart. Eine warme, sichere und würdige Unterkunft zu haben, wird lebensrettend sein."
Die UNHCR-Repräsentantin Karolina Billing berichtet von der UNHCR-Hilfe seit Beginn des Krieges und wie wichtig die Versorgung der Menschen gerade in den Wintermonaten ohne Strom und Heizung in den betroffenen Regionen ist.
Mehr dazu finden Sie auch in unserem Blog:
Humanitäre Hilfe inmitten einer Militäroffensive
Der UNHCR hat die Ukraine zu einem Notfall der Stufe Drei erklärt. Das ist die höchste Notfall-Stufe überhaupt, bei der umfassende Hilfsoperationen in Gang gesetzt werden.
Die UNHCR-Teams haben alle Notfallmaßnahmen aktiviert, um Flüchtlingen, Binnenvertriebenen und vom Konflikt betroffenen Menschen gleichermaßen zu helfen. Angesichts der enormen Bedürfnisse wird der UNHCR seine Hilfsmaßnahmen auf die Bereitstellung von Unterkünften, grundlegender Hilfsgüter und Bargeldhilfen konzentrieren und sich dafür einsetzen, dass alle Schutzbedürftigen ihre Rechte wahrnehmen können.
Soweit es die Sicherheitslage innerhalb der Ukraine zulässt, kümmern sich die UNHCR-Helfer*innen um die Verteilung von Nothilfepaketen mit Basishilfsgütern, wie Decken und Wasserkanistern. Dazu stehen sie in Kontakt mit lokalen Partnerorganisationen sowie Vertreter*innen von Binnenvertriebenengemeinschaften, um die Bedürfnisse zu erheben und sichere Orte für die Betroffenen zu finden. Des Weiteren verstärkt der UNHCR landesweite Hotlines, um wichtige Informationen für Vertriebene bereitzustellen. Zusätzliche lebensnotwendige Vorräte aus den weltweiten Lagerbeständen des UNHCR werden eingeflogen, um schnell auf neue Vertreibungen reagieren zu können.

Hilfe in den Nachbarländern
Bisher haben alle Nachbarländer ihre Grenzen für Flüchtlinge aus der Ukraine offen gehalten. Der UNHCR appelliert an die Regierungen nachdrücklich, allen Flüchtlingen weiterhin Zugang zum Territorium zu gewähren: Ukrainer*innen und in der Ukraine lebenden Drittstaatsangehörigen, die nun gleichermaßen gezwungen sind, vor der Gewalt zu fliehen.
In den benachbarten Ländern unterstützt der UNHCR die jeweiligen Behörden und lokalen Hilfsorganisationen, um den Flüchtlingen, die über die Grenzen kommen, angemessen helfen zu können und den notwendigen Schutz der Menschen zu gewährleisten. Besondere Aufmerksamkeit gilt den besonders verletzlichen Gruppen wie unbegleiteten Kindern, älteren und behinderten Menschen. Sie erhalten essenzielle Hilfen und Zugang zu aufnehmende Institutionen.
Was ist die "Massenzustrom-Richtlinie"?
Die sogenannte "Massenzustrom"-Richtlinie garantiert Kriegsflüchtlingen einen vorübergehenden Schutz in der EU, jenseits des individuellen Asylverfahrens und jenseits des Dublin-Systems.
Die Richtlinie wurde in den 1990er-Jahren aufgrund des Krieges im ehemaligen Jugoslawien von der EU geschaffen, um bei einem massiven Zustrom Geflüchteter Mindeststandards für die Gewährung vorübergehenden Schutzes in den Mitgliedsstaaten sowie Maßnahmen zur Förderung einer ausgewogenen Verteilung der Belastungen festzulegen. Dazu gehört zum Beispiel:
- eine Arbeitserlaubnis für die Vertriebenen,
- sowie Zugang zu Sozialhilfe, medizinischer Versorgung oder
- Bildung für Minderjährige.
Zum Schutz der Flüchtlinge aus der Ukraine beschlossen die Mitgliedstaaten am 3. März 2022, diese Richtlinie erstmals zu aktivieren. Bis dahin war sie noch nie genutzt worden. Für ukrainische Staatsangehörige gilt der Schutz für ein Jahr. Danach kann er je nach Situation halbjährig verlängert werden. In dieser Zeit können Schutzsuchende sich ohne Visum in den europäischen Mitgliedsstaaten bewegen.
Der UNHCR hat seine Vertretungen in den Nachbarländern der Ukraine verstärkt. Zusätzliche Helferinnen und Helfer sind eingesetzt, um die Arbeit der jeweiligen Länderbüros zu unterstützen.
Polen
Seit Beginn des Krieges in der Ukraine trafen Millionen Flüchtlinge in Polen ein, die meisten von ihnen Frauen und Kinder sowie ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen. Mehr als 1,6 Millionen Ukrainer sind in Polen registriert. Viele sind in Nachbarländer weitergewandert oder vorübergehend oder längerfristig in die Ukraine zurückgekehrt. UNHCR-Mitarbeiter*innen arbeiten an den Grenzübergängen, um den Schutz jedes Geflüchteten sicherzustellen.
In Zusammenarbeit mit polnischen Hilfsorganisationen erhalten besonders gefährdete Flüchtlingsfamilien in Polen Bargeldhilfen. Gleichzeitig wurden 8 sogenannte Blue Dots aufgebaut, um die gefährdetsten Gruppen, wie allein reisende Kinder, zu versorgen. Die meisten Flüchtlinge erkundigen sich hier nach medizinischen Leistungen, Transportmöglichkeiten und finanzieller Unterstützung bzw. Bargeldhilfe. Die bereitgestellten Informationsangebote des UNHCR werden auch online angeboten. Die Webseite des UNHCR in Polen wurde mehrere Millionen Mal genutzt.
Mehr dazu finden Sie hier:
Deutschland
Deutschland ist nach Polen eines der wichtigsten Zielländer für Flüchtlinge aus der Ukraine. Über 1 Million ukrainische Flüchtinge sind in Detuschland registriert.
Moldawien
Mehr als 820.000 Menschen haben die Ländergrenze zwischen der Ukraine und Moldawien überquert. Das kleine Land war anfangs mit dem Zustrom von Menschen in Not überfordert. UNHCR-Mitarbeiter*innen arbeiten an den Grenzübergängen, um die Weiterführung von Geflüchteten nach Rumänien und weitere EU-Staaten zu organisieren. Bis Mai 2023 wurden fast 110.000 Geflüchtete registriert.
In Moldawien wurden mittlerweile 10 Blue Dots aufgebaut. Bis Ende 2022 konnten dort über 45.000 Flüchtlingen geholfen werden. Darunter allein 23.000 Kinder. Fragen zu Dokumenten und zum Asylverfahren waren die am häufigsten gestellten Fragen. Darüber hinaus konnte der UNHCR auch Flüchtlinge mit Bargeldhilfen unterstützen und Hilfsgüter wie zum Beispiel warme Decken verteilen.
Slowakei
An den Grenzen der Slowakei wurden bisher fast 1,4 Millionen Grenzübergänge gezählt und mehr als 115.000 Flüchtlinge sind in der Slowakei registriert.
Geflüchtet werden vom UNHCR unter anderem durch Bargeldhilfe unterstützt. Besonders schutzbedürftige Gruppen wie Frauen und Kinder werden in fünf Blue Dots betreut.
Ungarn
Über 2,7 Millionen Menschen sind seit Beginn des Krieges über die Grenzen nach Ungarn gekommen. Ingesamt wurden bis Mai 2023 über 36.000 Flüchtlinge registriert.
UNHCR-Mitarbeiter*innen vergewissern sich an den Grenzübergängen, dass die Flüchtlinge ihren Bedürfnissen entsprechend versorgt und geschützt werden. Insgesamt wurden drei Blue Dot Zentren eingerichtet, sodass die gefährdetsten Gruppen, wie allein reisende Kinder, versorgt werden können. Der UNHCR und seine Partner haben bisher Informationen, Beratung, psychosoziale Unterstützung und Schutz für mehr als 50.000 Flüchtlinge aus der Ukraine an Grenzübergängen bereitgestellt und Anlaufstellen sowie vorübergehende Unterkünften im ganzen Land eingerichtet.
Rumänien
Über 2,3 Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine kamen bis heute über die Grenze nach Rumänien. Davon wurden über 130.000 Flüchtlinge registriert. UNHCR-Mitarbeiter*innen stellen den Schutz und die Versorgung sicher. Die Flüchtlinge werden von lokalen Hilfsorganisationen versorgt. In Rumänien wurden 7 Blue Dots eingerichtet und in 2022 konnten mehr als 66.000 Menschen mit Rechtsberatung und Informationen unterstützt werden. 43.000 Flüchtlinge erhielten vom UNHCR in 2022 Bargeldhilfen und mehr als 165.000 Hilfsgüter wurden an Flüchltinge verteilt.
Riesiger Hilfsbedarf für die Ukraine
Um den Millionen Menschen in der Ukraine und in den Nachbarländern die Notfallversorgung und Schutz, sowie Unterkünfte und Bargeldhilfen zur Verfügung stellen zu können, benötigt der UNHCR 2022 1,417 Milliarden US-Dollar.
Was umfasst die Ukraine-Soforthilfe?
Grundlegende Hilfsgüter wurden in den Nachbarländern vorpositioniert und werden an die Neuankömmlinge verteilt. Dazu gehören Wärmedecken und andere dringend benötigte Gegenstände, da flüchtende Familien oftmals ihr gesamtes Hab und Gut zurücklassen müssen. Ein weiterer Bestandteil ist die Rechtsberatung sowie Bargeldhilfe, damit insbesondere die am stärksten gefährdeten Personen ihre Grundbedürfnisse decken können.
Wie werden Flüchtlinge aus der Ukraine geschützt?
Der UNHCR unterstützt die Behörden bei der Registrierung von Neuankömmlingen. Das erleichtert u.a. die Identifizierung der am stärksten gefährdeten Personen und Personen mit besonderen Bedürfnissen wie unbegleitete Kinder, ältere Menschen, Menschen mit Behinderungen und andere Personen, die von einer Vertreibung besonders bedroht sind.
Auch in der Ukraine unterstützt UNHCR vertriebene Menschen, mit Hilfsgütern, Material zur Reparatur von Gebäuden und finanzieller Unterstützung.
Was sind die Blue Dots?
Um bei der gleichzeitigen Flucht von vielen Menschen, besonders gefährdete Personen, wie Menschen mit Behinderungen, Kinder, Ältere oder Kranke, Menschen, die möglicherweise Opfer von Menschenhandel geworden sind, Überlebende von Gewalt und Flüchtlinge aus der LGBTQI+-Szene besonders zu unterstützen und zu helfen, haben UNHCR und UNICEF gemeinsam die sogenannten Blue Dots eingerichtet.
Blue Dots sind sichere Orte und Räume, in denen besonders gefährdete Flüchtlinge Informationen, Unterstützung und Gesundheitsversorgung, Bildung, psychosoziale Unterstützung und vieles mehr erhalten. Zu erkennen sind sie an dem Symbol eines blauen Punktes.
Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine wurde in den Nachbarländern, in denen Flüchtlinge aus der Ukraine ankommen, über 40 Blue Dots eröffnet:
Bulgarien 6
Ungarn 4
Italien 2
Moldawien 11
Polen 8
Rumänien 7
Slowakei 3
Slowenien 1
Mehr Informationen zu den Blue Dots, wo sie sich befinden und welche konkrete Hilfe vor Ort angeboten wird, finden Sie hier: https://bluedothub.org/
Wie wird die Hilfe für Flüchtlinge aus der Ukraine koordiniert?
Der UNHCR hat eine Koordinierungsrolle. Das heißt, dass der UNHCR gemäß seinem Mandat einen regionalen Refugee Response Plan (RRP) entwickelt. Bei der Ausführung sind verschiedene Partner beteiligt: UNDP, WHO, Save the Children, HelpAge International, INTERSOS, Project Hope, UNFPA, NRC, UNICEF, WFP und IOM.
Der UNHCR unterstützt gleichzeitig die Behörden in den Aufnahmeländern. Dazu wurden zusätzliche Mitarbeiter*innen u.a. nach Moldawien, Polen und Rumänien entsendet.
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