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Menschen auf Augenhöhe begegnen

Geprägt von eigenen Rassismuserfahrungen setzt sich Franziska heute in der Flüchtlingshilfe ein. Sie kämpft gegen Ausgrenzung, schafft Räume für Perspektivwechsel und zeigt: Integration ist keine Technik, sondern eine Haltung.

Vom eigenen Erleben zum Engagement

Seit 2022 engagiert sich die heute beim Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt tätige Franziska* in der Flüchtlingshilfe. Ihre Motivation ist stark mit der eigenen Biografie verbunden: Als Person of Color verbrachte sie ihre Kindheit in den sogenannten „Baseballschlägerjahren“ in Sachsen-Anhalt, wo Rassismus eine alltägliche Realität darstellte. „Diese Erfahrungen haben mich geprägt und meinen Blick auf Machtverhältnisse und Ausschlüsse geschärft“, erklärt sie.

Nach zahlreichen Jahren in der Medienwelt traf sie die Entscheidung für einen beruflichen Neuanfang: „Ich wollte nicht mehr Energie in Kampagnen stecken, die nichts mit meiner Realität zu tun haben – und erst recht nichts verändern.“ Heute setzt sie ihre Kenntnisse in den Bereichen Kommunikation, Projektmanagement und Öffentlichkeitsarbeit ein, um mit Geflüchteten zu arbeiten – insbesondere mit jungen Menschen und Jugendlichen of Color.

Begegnungen, die prägen

Die erste Begegnung, die sie in diesem Bereich hatte, ist ihr bis heute lebhaft im Gedächtnis geblieben: „Ich habe ein Interview mit einem Nutzer der Bezahlkarte geführt. Er hat offen über sein Leben erzählt – von den vielen Hürden, aber auch von den guten Momenten, die ihm Kraft geben.“ Diese Begegnung hat ihr klar gemacht, dass es in der Arbeit mit Geflüchteten nicht lediglich um Strukturen und Prozesse geht, sondern um Menschen mit vielfältigen Lebensrealitäten.

Obwohl sie im Jahr 2015 noch nicht aktiv war, erkennt sie deutliche Unterschiede zur heutigen Situation: 

Was früher als Ausdruck von Haltung und Solidarität galt, ist heute mit realen Risiken verbunden." 

Engagierte würden zunehmend zur Zielscheibe – in der Öffentlichkeit, im Netz und manchmal auch privat. „Man überlegt zweimal, ob man auf einem Podium spricht oder sich öffentlich positioniert – nicht aus Angst um die eigene Überzeugung, sondern aus Sorge um Sicherheit.“

Diese Veränderung hat die Perspektive auf das Engagement erheblich beeinflusst: „Es braucht heute mehr Rückhalt und Schutz, auch innerhalb der Zivilgesellschaft.“ Ein prägender Vorfall war der Angriff auf den Flüchtlingsrat durch einen massiven rechten Shitstorms. „Wir haben einen regelrechten Sturm an Hassmails bekommen. Diese Mails beinhalteten Beleidigungen und Bedrohungen, bis hin zu persönlichen Drohungen gegen Kolleg*innen, die bereits öffentlich bekannt sind. Das war sehr schockierend!“

Fortschritte und Hoffnung

Trotz der Schwierigkeiten, erkennt sie ebenfalls Fortschritte: „Es ist gelungen, Menschen miteinander zu verbinden und Perspektivwechsel zu ermöglichen.“ Die Begegnung in einem Workshop mit zwei afghanischen Mädchen habe sie besonders berührt: „Sie erzählten von ihren Erfahrungen in der Schule – manche Geschichten waren sehr traurig. Ein paar Tage später fragten sie, wann der nächste Workshop stattfindet, weil ihnen der erste so gutgetan hat.“ Solche Rückmeldungen zeigen ihr, wie wichtig Räume sind, in denen Jugendliche gehört werden.

Wirkliche Veränderung entsteht erst, wenn wir uns auf Augenhöhe begegnen.“

Durch ihre Arbeit hat sie nicht nur viele Perspektiven von Geflüchteten kennengelernt, sondern Erfahrungen gemacht, die ihren Umgang mit allen Menschen beeinflussen - unabhängig davon, ob sie geflüchtet sind oder nicht. „Geflüchtete sind Menschen mit ganz eigenen Geschichten. Wir können nicht jede einzelne hören oder lesen, aber wir sollten immer wissen, dass sie da sind.“. Dabei sieht sie in einem Perspektivwechsel eine zentrale Möglichkeit für gesellschaftliches Verständnis und Zusammenhalt.

Auch ihr Blick auf Deutschland, Integration und Zusammenleben hat sich gewandelt. Zunächst negativ, wie sie selbst sagt: „Geflüchtete werden oft nur als Problem, als Zahl oder als homogene Masse gesehen.“ Doch gleichzeitig erkennt sie die Stärke des zivilgesellschaftlichen Engagements: „Ich sehe heute die Vielfalt und Breite des Engagements viel deutlicher. Von persönlichen Gesprächen, über kulturelle Feste bis hin zu konkreter politischer Arbeit. Diese Erkenntnis gibt mir Hoffnung und Zuversicht.“

Integration als Haltung

Integration ist kein technischer Begriff, sondern eine Haltung“

Sie betrachtet ihr Engagement nicht lediglich als Unterstützung für andere, sondern auch als eine Form des persönlichen Ausdrucks. „Ich gebe Menschen, vor allem Jugendlichen, eine Stimme, die oft überhört oder ignoriert werden. Diese Arbeit schafft Raum, indem ihre Erfahrungen und Perspektiven sichtbar werden – denn jede Stimme zählt!“

Die Schwierigkeiten bestehen weiterhin, besonders in ländlichen Gegenden: große Entfernungen, mangelhafte Infrastruktur, lange Wartezeiten bei Ämtern – und eine gesellschaftliche Atmosphäre, die häufig feindlich gegenüber Asylsuchenden eingestellt ist.

Dennoch ist sie fest davon überzeugt: „Es ist gelungen, Menschen miteinander zu verbinden und Perspektivwechsel zu ermöglichen.“ Und sie appelliert an alle, die sich engagieren möchten: „Traut euch, auf Menschen zuzugehen! Es lohnt sich immer zu helfen – sowohl für die Menschen, denen ihr Unterstützung gebt, als auch für euch selbst.“

Für sie ist Integration kein technischer Begriff, sondern eine Haltung: „Integration bedeutet für mich vor allem, Menschen wirklich als Menschen zu begegnen – mit Respekt und auf Augenhöhe.“. Nur so könne ein Zusammenleben entstehen, das auf Vertrauen, Offenheit und gegenseitiger Anerkennung basiert.


* Der Name wurde redaktionell geändert

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