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Schulausbildung nach der Flucht: Pooya berichtet

Nach der Flucht aus dem Iran landet Pooya in Ostdeutschland. Dort macht er nun sein Abitur und geht auch dank eines START-Stipendiums seiner großen Leidenschaft nach: Dem Geigespielen.

Pooya war 17 Jahre alt, als er mit seiner Familie aus dem Iran nach Deutschland floh. Nach seiner Ankunft musste er einige Monate warten, bis er endlich wieder eine Schule besuchen konnte. Heute steckt der 20-jährige begeisterte Geigespieler in den Vorbereitungen für sein Abitur und ist Stipendiat der START-Stiftung, die von der UNO-Flüchtlingshilfe gefördert wird. Im Interview erzählt Pooya, was ihm die Unterstützung bedeutet und welche Pläne er nach dem Schulabschluss hat.

Wie war die erste Zeit in Deutschland für dich?

Wir sind über Italien nach Deutschland geflohen. Als wir hier angekommen sind, sind wir zunächst zu einer Verwandten im Westen von Deutschland gegangen. Dort waren wir dann für eine Woche in einem Flüchtlingsheim in Unna, bevor wir in ein Flüchtlingsheim in Dresden umgezogen sind. Wir waren die einzige Familie, die in den Osten gehen musste, das konnten wir nicht selbst entscheiden. Hier haben wir dann von den Mitarbeitenden im Flüchtlingsheim, aber auch über den Dresdner Flüchtlingsrat und christliche Gemeinden Unterstützung erhalten und es gab auch Studenten und Ehrenamtliche, die uns geholfen haben. Wir haben großartige Personen kennengelernt, denen ich sehr dankbar bin! Sonst wäre ich jetzt nicht an dieser Stelle.

Deutschland war für mich zuerst wie eine ganz andere Welt: Die Autos, die Häuser, der Aufbau der Städte und natürlich eine ganz andere Sprache. Aber das war auch eine schöne Sache: zu sehen, wie unterschiedlich wir Menschen sind und trotzdem in Frieden zusammenleben können.

Wann konntest du wieder zur Schule gehen?

Wir waren ungefähr sechs Monate im Flüchtlingsheim und dort gab es keine Schule. Ich habe mich auch zwei Mal bei den Beratern dort beschwert:

Ich wollte unbedingt wieder zur Schule gehen – ich hatte das Gefühl, meine Zeit sinnlos zu verschwenden.

Die Berater haben gesagt: „So ist es halt, bis die Zeit im Flüchtlingsheim vorbei ist.“ Nach sechs Monaten haben wir dann eine Wohnung in Meißen bekommen. Ich habe dann den Mitarbeitern des verantwortlichen Amtes in Dresden auf Englisch erklärt, dass ich zum Gymnasium gehen möchte. Ich hatte mich vorher über das deutsche Schulsystem informiert und hatte auch meine Zeugnisse und Zertifikate aus dem Iran dabei, die aber hier nicht anerkannt wurden. Beim Amt wurde mir dann gesagt, dass ich nicht auf ein Gymnasium gehen kann, weil ich nicht gut genug Deutsch spreche und es dort auch keine Klassen mit „Deutsch als zweite Sprache“ gibt. Deshalb musste ich erstmal die zehnte Klasse auf einer Oberschule wiederholen und parallel dazu Deutsch lernen. Das Schuljahr musste ich zusätzlich mit einem Notendurchschnitt von 2,5 abschließen, damit ich anschließend auf ein Gymnasium wechseln konnte. Der Druck in dem Jahr war also sehr groß für mich, aber ich habe die Klasse dann mit einer 2,0 abgeschlossen. Jetzt bin ich in der Abschlussklasse an einem beruflichen Gymnasium und mache mein Abitur.

Wie bewertest du persönlich den Zugang zum deutschen Bildungssystem für Geflüchtete?

Aus meiner Sicht ist es gerade schon komplett anders, wie mit Flüchtlingen aus der Ukraine im Vergleich zu uns damals umgegangen wird. Wir sind alle Flüchtlinge, wir konnten alle nicht mehr in unserem Land leben und sind hierhin geflüchtet. Auf meiner Schule gibt es jetzt zum Beispiel eine Klasse mit ukrainischen und russischen Lehrern, dort wird sowohl auf Ukrainisch als auch auf Deutsch unterrichtet. Ich hätte mir auch zusätzliche Zeit und Angebote gewünscht.

Seit drei Jahren wirst du von der START-Stiftung gefördert. Wie genau unterstützt dich das Stipendium?

Das Stipendium ist für junge Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund, die sich für die Gesellschaft engagieren wollen. Es gibt sowohl regionale als auch überregionale Veranstaltungen und dort treffen wir uns, sprechen über Politik und Gesellschaft oder gehen ins Museum. Dort wird auch allen Leuten eine Redemöglichkeit gegeben, also dass alle ihre Meinung einfach frei sagen können. Wir sind eine super schöne Community: Wir kommen aus unterschiedlichen Nationen, sprechen unterschiedliche Sprachen, es gibt verschiedene Religionen, verschiedene Meinungen und wir leben alle friedlich zusammen.

Der Unterschied zu unseren Herkunftsländern ist der, dass es zwischen uns keine Grenzen gibt. Wir als Gemeinschaft zeigen: Das Leben kann auch ohne Grenzen verlaufen. Und das ist das Schönste, finde ich. Wir sind wie eine Familie.

Bei START lernt man die Sachen, die man nicht in der Schule lernt. Und über unser Netzwerk kann ich mich auch zu Schulthemen austauschen: Wenn ich mal nicht mit einem Thema aus dem Unterricht weiterkomme, kann ich einfach in unsere WhatsApp-Gruppe schreiben und dann hilft man sich gegenseitig.

Schon im Iran warst du passionierter Geigespieler. Wie hast du in Deutschland mit deinem Hobby weitergemacht?

Ich habe mit acht Jahren angefangen, Musik zu machen. Zuerst habe ich ein Jahr Xylophon und Blockflöte gespielt und als ich mit der Geige angefangen habe, war ich zehn Jahre alt. In meiner Heimatstadt Isfahan im Iran war ich sehr aktiv und habe in einer Philharmonie gespielt und erfolgreich an Wettbewerben teilgenommen. Als ich dann nach Deutschland gekommen bin, habe ich nach drei Monaten im Flüchtlingsheim einen Mann mit Geige gesehen. Und das war ein super schöner Moment für mich, weil ich dachte: Jetzt kann ich mit der Musik weitermachen! Dann habe ich ihn einfach angesprochen und wir haben uns auf Englisch unterhalten. Er kam aus dem Irak und hat mir erzählt, dass es ein orientalisches Orchester in Dresden gibt und wenn ich Lust habe, kann ich einfach vorbeikommen und mitspielen. Und das habe ich auch getan. Über einen Kontakt im Flüchtlingsheim habe ich dann auch eine Geigenlehrerin kennengelernt, die mich auch heute noch unterrichtet. Und seit letztem Jahr bin ich Mitglied im Landesjugendorchester Sachsen. Über das START-Stipendium habe ich außerdem einen Kontakt zum sächsischen Kultusministerium aufgebaut. Wenn sie Musiker für eine Veranstaltung brauchen, melden sie sich bei uns. Und von dem Bildungsgeld, das ich über das Stipendium erhalte, kann ich mir Saiten und weiteres Zubehör für meine Geige kaufen. Durch die Abiturvorbereitungen kann ich zwar nicht aktuell mehr so viel üben, aber wenn ich die Zeit habe, trainiere ich drei Stunden täglich.

Welche Pläne hast du nach dem Abitur?

Das ist gerade für mich noch unklar. Vielleicht mache ich ein Freiwilliges Soziales Jahr, damit ich schauen kann, wo meine Interessen am größten sind. Als Kind habe ich viele Sachen ausprobiert: Sport, Sprachen, Musik und viele andere Sachen und deshalb kann mich noch nicht entscheiden, was ich beruflich machen will. Aber ich weiß, dass ich nicht Musik als Beruf machen möchte. Das behalte ich lieber als Hobby, so macht es mir mehr Spaß.

Danke, dass du deine Geschichte mit uns geteilt hast!

 

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