blauPAUSE

Teilen

Blog

Die eigene Zukunft aktiv gestalten

Ausbildung statt Abschiebung – diesem Ansatz hat sich das gleichnamige Bonner Projekt verpflichtet. Das Angebot der gemeinnützigen Organisation richtet sich insbesondere an junge Geflüchtete mit unsicherem Aufenthaltsstatus.

Im Interview berichtet Leon Rauch von den aktuellen Herausforderungen und Chancen der Projektarbeit in der aktuellen gesellschaftlichen Situation – für die Geflüchteten selbst, aber auch für die haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden.

UNO-Flüchtlingshilfe: Ihr Projekt möchte die Selbstbestimmung und Bildung von jungen Geflüchteten mit unsicherem Aufenthaltsstatus in Deutschland fördern. Wie gelingt das?

Leon Rauch: Um diese Ziele zu erreichen, verfolgt AsA einen Ansatz, den es deutschlandweit so nicht gibt: Alle Angebote, die für eine erfolgreiche Aufenthaltssicherung sowie zur Schaffung von Zukunftsperspektiven junger Geflüchteter notwendig sind, werden bei AsA unter einem Dach gesammelt. Allerdings ist nicht nur die „materielle“ Unterstützung ausschlaggebend für den Erfolg der Arbeit. Stattdessen schafft die bei AsA gelebte herzliche und freundschaftliche Atmosphäre schnell Vertrauen und enge Bindungen. AsA ist ein Ort des Ankommens und Anlaufstelle für Jugendliche, wo sie sich sicher, ernstgenommen und wohlfühlen können. Diese Art der Unterstützung ist für die meisten Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die keine Familienangehörigen in der Nähe haben, wichtig, da sie stärkend und stabilisierend wirkt.

Ausbildung statt Abschiebung (AsA) e.V.

Aus den besonderen Herausforderungen für junge Geflüchtete ergibt sich ein spezifischer Bedarf an dauerhafter und langfristiger Begleitung. Bei AsA e.V. werden deshalb vielfältige Beratungs- und Unterstützungsmöglichkeiten angeboten, die von der Sprachförderung über sozialrechtliche Themen bis hin zum interkulturellen Lernen reichen.

Informationen zum Projekt

 

Wie hat der Krieg gegen die Ukraine Ihre Projektarbeit beeinflusst?

Der russische Überfall auf die Ukraine veränderte unsere Arbeit natürlich: Während die Europäische Union für ukrainische Geflüchtete eine schnelle und unbürokratische Lösung fand, von der wir uns wünschen, dass sie in der Zukunft auch anderen Geflüchteten zuteilwird, stellte sich für uns schnell heraus, dass nicht alle Geflüchteten aus der Ukraine davon profitieren würden. Obwohl der Ratsbeschluss, der den ukrainischen Staatsangehörigen schnellen Schutz versprach, auch die Möglichkeit vorsah, diesen Schutz auf nicht-ukrainische Staatsangehörige aus der Ukraine zu erweitern, machte Deutschland nicht umfassend von dieser Möglichkeit Gebrauch. Stattdessen erleben viele sogenannte Drittstaatsangehörige, dass sie als Geflüchtete zweiter Klasse behandelt werden und nur dann eine Aussicht auf ein Bleiberecht haben, wenn sie als „nützlich“ für den deutschen Arbeitsmarkt eingeschätzt werden oder genug finanzielle Mittel für ein Studierendenvisum aufbringen können.

Seit etwas mehr als einem Jahr betreuen wir daher nun eine Gruppe mit einem eigenen und anderen Beratungsbedarf: Die Gruppe der sogenannten Drittstaatsangehörigen weist in der Regel ein deutlich höheres Bildungsniveau auf. Oft handelt es sich um Absolvent*innen und Studierende der MINT-Fächer – eine Beschäftigung als Fachkraft sowie die Aufnahme eines Studiums oder einer Ausbildung sind aber aufgrund der komplexen rechtlichen Fragen nur nach intensiver vorheriger Beratung und dem Erwerb von Sprachkenntnissen möglich.

Wie ist die aktuelle Stimmung innerhalb Ihres Projektes - sowohl auf Seite der Mitarbeitenden als auch der Teilnehmenden?

Nach der Veröffentlichung des Koalitionsvertrags der Ampel-Regierung und der großzügigen Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine keimte bei einigen Personen die Hoffnung auf, dass eine Verbesserung der Bedingungen auch für Geflüchtete aus anderen Ländern möglich sein könnte. Die aktuellen politischen Diskurse haben allerdings auch bei uns und den Jugendlichen und jungen Erwachsenen schnell wieder zu Ernüchterung geführt: Getrieben von den Beschwerden der Kommunen über Überforderung in der Flüchtlingsunterbringung hat die Bundesregierung mit dem Flüchtlingsgipfel Anfang Mai ein deutliches Signal gesendet, die Flucht nach Deutschland weiter erschweren und Abschiebungen erleichtern zu wollen. Passend dazu verhandelt die EU gerade eine Reform des europäischen Asylrechts, in der u. a. durch beschleunigte Grenzverfahren an den EU-Außengrenzen der Flüchtlingsschutz weiter ausgehöhlt werden soll.

Die Entscheidungen des EU-Innenrates zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystem haben wir mit Erschütterung zur Kenntnis genommen. Entgegen dem von der Ampelkoalition angekündigten ‚Paradigmenwechsel‘ in der Migrationspolitik erleben wir die Ausweitung von Grenzschutz und Repressionen, um Geflüchtete von der Europäischen Union fernzuhalten. Zu den aus menschenrechtlicher Perspektive besonders kritikwürdigen Aspekten des Ratsbeschlusses zählen ‚Schnellverfahren‘ unter haftähnlichen Bedingungen in Grenzlagern (vergleichbar mit den sogenannten Hotspots auf den griechischen Inseln), von denen auch Familien mit Kindern nicht ausgenommen werden sollen sowie die Ausweitung von Abschiebungen in ‚sichere Drittstaaten‘ - obwohl diese rechtsstaatliche, asyl- und menschenrechtliche Standards regelmäßig und schwerwiegend verletzen.

Wir appellieren an die EU-Parlamentarier*innen, sich im weiteren Gesetzgebungsverfahren für die Wahrung der Menschenrechte von Geflüchteten und gegen die kaltherzige Abschottungspolitik des Rates einzusetzen.

  • Lernsaal des Projekts AsA e.V.
    © Jürgen Klack

    Der Lernsaal ist immer belegt: Hier finden Deutschkurse am Vormittag, Einzel- und Fachkundenachhilfe am Nachmittag und Qualifizierungsangebote der Ehrenamtlichen am Abend statt.

  • AsA-Jugendliche am Strand auf Borkum
    © AsA e.V.

    Für die Jugendlichen ist es das Highlight des Jahres: Die Ferienfreizeiten im Sommer, wie hier auf Borkum.

  • Ehrenamtliche Nachhilfe
    © AsA e.V.

    Die ehrenamtliche Nachhilfe bietet zusätzliche individuelle Unterstützung und ergänzt das Vereinsangebot.

Trotz oder gerade wegen der aktuellen Stimmungslage erhalten Sie viel ehrenamtliche Unterstützung. Wie würden Sie die Motivation der Freiwilligen beschreiben?

Generell beobachten wir bei den Ehrenamtlichen ein hohes Motivationsniveau und haben in der Regel keine Schwierigkeiten genügend Ehrenamtliche zu akquieren. Aufgrund der Vielzahl an Angeboten und Projekten gibt es für Ehrenamtliche viele verschiedene Möglichkeiten, sich entsprechend ihrer Interessen und Fähigkeiten einzubringen. Wenn es in Einzelfällen zu Konflikten zwischen Ehrenamtlichen und Jugendlichen kommt, z. B. aufgrund unterschiedlicher Erwartungshaltungen, können diese normalerweise durch die hauptamtlichen Betreuungspersonen ausgeräumt werden.
Die größte Schwierigkeit für unsere Ehrenamtlichen ergeben sich aus dem oft kaum nachvollziehbaren Behördenverhalten. Wenn etwa ein junger, motivierter Mann, der hier regelmäßig zur Schule geht und eine Zusage für einen Ausbildungsplatz hat, abgeschoben wird, ist dies natürlich besonders hart für eine*n Ehreamtliche*n, der oder die ihn eng begleitet hat. Auch andere Fälle, etwa der konsequenten Verweigerung einer Arbeitserlaubnis durch die Ausländerbehörde, führen bei Ehrenamtlichen oft zu großer Frustration.

Wie werden die Freiwilligen auf Ihre Aufgaben vorbereitet?

Neue Ehrenamtliche nehmen anfangs an Informationsveranstaltungen teil und lernen die Ehrenamtskoordinatorin in einem persönlichen Gespräch kennen. Je nach Einsatzgebiet und Vorerfahrung können sie danach freiwillig oder verpflichtend regelmäßig an Schulungen und Workshops teilnehmen, die sich auf alle Themen der Arbeit beziehen. Darunter fallen Asyl-, Aufenthalts- und Sozialrecht, allgemeine Verwaltungsabläufe, Umgang mit Behörden, aber auch diskriminierungs-, rassismus- und traumasensibles Arbeiten sowie Lernstrategien und Sprachförderung. Im weiteren Sinne gehören dazu auch die regelmäßigen Austauschtreffen, Supervision und Möglichkeiten der Einzelfallberatung durch das hauptamtliche Personal.

So hat AsA e.V. mich unterstützt:

Hallo, mein Name ist Awais, ich bin 23 Jahre alt und komme aus Pakistan. Seit sechs Jahren lebe ich in Deutschland. Zunächst fand ich es schwierig, hier richtig anzukommen, aber dann habe ich in meiner Unterkunft einen Jungen kennengelernt, der bei AsA e.V. Deutsch gelernt hat und er hat mir den Tipp gegeben, dort hinzugehen.

Besonders mag ich bei AsA e.V., dass das Team so hilfsbereit und freundlich ist. Bei AsA e.V. habe ich Deutsch gelernt und das Team hat mir auch geholfen, einen Ausbildungsplatz zu finden. Ich habe dort Nachhilfe bekommen, während ich in der Ausbildung war, und wenn ich Probleme mit Behörden habe, hilft AsA e.V. mir auch. Außerdem haben sie mir geholfen einen vorübergehenden Pass zu bekommen, damit ich nach Brüssel fahren darf, wo wir das Europäische Parlament besucht haben.

Ich möchte die dreijährige Ausbildung zur Pflegefachkraft machen. Und ich möchte nicht nur in Deutschland bleiben, sondern auch ein echter Rheinländer werden!

 

Halten Sie auch noch nach Abschluss der Betreuung Kontakt zu den Teilnehmenden Ihres Projekts?

Viele der Jugendlichen und jungen Erwachsenen kommen über einen langen Zeitraum regelmäßig zu AsA. Sie nehmen an den unterschiedlichsten Angeboten teil, kennen Hauptamtliche wie Ehrenamtliche und bauen eine Beziehung zu ihnen auf. Darüber hinaus schließen sie natürlich auch untereinander Freundschaften.

In den unterschiedlichen Phasen der jungen Menschen kommen sie unterschiedlich oft zu AsA: im Bewerbungsprozess, zu Deutschkursen oder Nachhilfe recht regelmäßig, zur Beratung je nach Thema punktuell oder auch regelmäßig über einen begrenzten Zeitraum hinweg. Aber auch darüber hinaus halten die Jugendlichen und jungen Erwachsenen entweder zu ihren festen Ansprechpersonen Kontakt oder sie kommen an ihrem freien Tag zu AsA, um Hallo zu sagen und von sich zu erzählen. Besonders freuen wir uns darüber, wenn uns die jungen Menschen teils noch Jahre später besuchen, um von bestandenen Gesellenprüfungen, Familiengründungen oder dem Aufstieg im Job zu erzählen.

Dass sie ihre Erfolge – und auch Misserfolge – mit AsA teilen möchten, zeigt uns, wie wichtig gerade auch die Beziehungsarbeit ist.

Können Sie sich an eine besondere Begegnung erinnern?

Obwohl – oder gerade weil – die Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die zu AsA kommen, mit Ungewissheit, finanzieller, rechtlicher und sozialer Unsicherheit, traumatischen Erfahrungen im Heimatland, auf der Flucht und teilweise auch in Deutschland konfrontiert sind, lebt die tägliche Arbeit von den positiven und stärkenden Erlebnissen, den persönlichen Begegnungen und der Gemeinschaft bei AsA. Da sich bei AsA alles darum dreht, den Blick nach vorne zu richten und Zukunftsperspektiven zu schaffen, kommt es regelmäßig zu besonderen Momenten: wenn aus den Unterrichtsräumen heiteres Lachen und Klatschen dringt, wenn Jugendliche, Ehrenamtliche und Hauptamtliche bei Veranstaltungen und Festen zusammenkommen oder wenn der Erhalt eines Ausbildungsvertrags und dazu die nötige Arbeitserlaubnis gefeiert wird. Besonders positiv ist uns die Feier zum zwanzigjährigen Bestehen unseres Vereins in Erinnerung geblieben, bei der ehemalige und aktive Jugendliche, Ehrenamtliche, Teammitglieder und Freund*innen von AsA zusammengekommen sind und mit einer tollen Feier eine Ablenkung von Alltagssorgen ermöglicht haben.

Wir freuen uns, wenn Sie Anmerkungen oder Feedback zu unseren Blogbeiträgen hinterlassen. Um eine faire und sachliche Diskussionskultur zu gewährleisten und sicherzustellen, dass die Kommentare unseren Communitystandards entsprechen, werden die Beiträge nach einer kurzen Überprüfung freigegeben.

Kommentare und Antworten

×

Name ist erforderlich!

Geben Sie einen gültigen Namen ein

Gültige E-Mail ist erforderlich!

Gib eine gültige E-Mail Adresse ein

Kommentar ist erforderlich!

* Diese Felder sind erforderlich.

Teilen Sie Ihre Gedanken mit uns.