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Vorurteile aufzeigen und abbauen

Der Dialog zwischen Geflüchteten und Aufnahmegesellschaften ist für eine gelungene Integration essenziell. Besong Agbor erzählt, wie das funktionieren kann.

Das Projekt „Hand in Hand – Zusammen die Zukunft gestalten“ hat es sich zur Aufgabe gemacht, Geflüchtete im sächsischen Landkreis Greiz willkommen zu heißen und sie in der neuen Heimat langfristig zu begleiten. Besong Agbor leitet das Projekt und beweist mit seiner täglichen Arbeit Haltung und Engagement. Für seine Motivation spielt auch seine eigene Fluchterfahrung eine wichtige Rolle.

UNO-Flüchtlingshilfe: Wie würden Sie die Stimmungslage in Ihrer Region im Hinblick auf die aktuelle Flüchtlingssituation beschreiben?

Hierzu muss ich vorerst auf die Situation in den Jahren 2015/16 eingehen: In dieser Zeit zeichnete sich eine erhöhte Proteststimmung und Unbehagen gegen die Schutzsuchenden in der örtlichen Bevölkerung ab. PEGIDA fing in Dresden an zu demonstrieren und die AfD erlebte einen Rechtsruck in ihrer Parteispitze, die einen Nährboden, besonders hier in den neuen Bundesländern, in der Flüchtlingskrise fand. Das wurde auch durch die teilweise schlechte Kommunikation zwischen dem Bund, den Ländern und den Kommunen bedingt. Hiermit meine ich nicht nur die konkreten Zuständigkeiten, sondern auch die Verfügbarkeit menschlicher Ressourcen wie z. B. Sprachkurse, Wohnraum, Kita-Plätze, den erhöhten Aufwand beim Bearbeiten von Asylanträgen und die Förderung und Bezahlung pro Kopf pro Flüchtling vom Bund. All dies kam bei der Bevölkerung als unkoordiniert und chaotisch an.

Die weltpolitischen Ereignisse, besonders die Reaktion vieler europäischer Mitgliedsstaaten, die die Aufnahme von Schutzsuchenden verweigerten, erschwerten unsere Arbeit.

Uns war und ist dabei ein Dialog mit der regionalen Bevölkerung besonders wichtig, um Vorurteile und Unwissenheit auszuräumen.

Obwohl sich seit dem Kriegsbeginn gegen die Ukraine auch in unserem Landkreis die Zahl der Geflüchteten wieder erhöht hat, hat sich die emotionale Lage der Bevölkerung im Sinne von Protesten nicht wiederholt. Meinem Empfinden nach ist die gesellschaftliche Reaktion in der Öffentlichkeit viel offener und respektvoller geworden. Trotz allem haben sich Vorurteile gegenüber Geflüchteten kaum reduziert. Lediglich werden diese nicht mehr so öffentlich ausgetragen wie 2015/16.

Erschreckend finde ich jedoch die politische und gesellschaftliche Entwicklung, beispielsweise bei aktuellen Umfragen. In unserer Region spiegelt sich dies in den hohen Ergebnissen von vermutlich rechtsorientierten Parteien – Tendenz steigend. Hier müssen wir weiter versuchen, die Menschen mit Begegnung und Dialog zusammenzuführen.

Wir dürfen einem allgemeinen Hass und der Fremdenfeindlichkeit keinen Nährboden geben.

Es stellt uns vor die enorme Herausforderung, die Menschen durch Integration in unsere Gesellschaft zu unterstützen, auf ein Arbeitsleben vorzubereiten und einem neuen Leben in der neuen Heimat zu begleiten.

Hand in Hand - Zusammen die Zukunft gestalten


Im Landkreis Greiz sind Vorbehalte und Vorurteile gegenüber Geflüchteten weiterhin groß und das Zusammenleben mit der Aufnahmegesellschaft gestaltet sich oft schwierig. Gleichzeitig sind vermehrt Spannungen zwischen den einzelnen Geflüchtetengruppen zu erkennen. Um diese Situation zu verbessern, hat es sich die Migration- und Integration Gemeinschaft in Weida zur Aufgabe gemacht, als Brückenbauerin zwischen Geflüchteten und der Aufnahmegesellschaft zu agieren. Die Angebote des Projekts „Hand in Hand – Zusammen die Zukunft gestalten“ sollen dazu beitragen, dass die Geflüchteten ein aktiver Teil der Gesellschaft und langfristig integriert werden.

Mehr Informationen zum Projekt

 

UNO-Flüchtlingshilfe: Wieso ist es so wichtig, dass der Kontakt zwischen Geflüchteten und ihren Aufnahmegesellschaften intensiviert wird?

Der Dialog dient dazu, Vorurteile abzubauen und aufzuzeigen. Wir dürfen nicht vergessen, dass es sich bei den ukrainischen Flüchtlingen teilweise um gut ausgebildete Fachkräfte handelt, die bereit sind, ihre Arbeitskraft einzubringen, um so dem demografischen Wandel entgegenzuwirken. Das betrifft vor allem handwerklicher Berufe, die derzeit kaum Auszubildende finden und auf jede zuverlässige und tatkräftige Hand angewiesen sind.

Deshalb ist der Fokus auf die Sprache meines Erachtens der wichtigste Faktor, um sich mit der regionalen Bevölkerung auszutauschen. Es sollte weiterhin die notwendige Integrationsarbeit vor Ort durchgeführt werden, denn ohne sie wird diese Aufgabe faktisch unmöglich sein.

UNO-Flüchtlingshilfe: Können Sie sich an eine Begegnung in Ihrer Arbeit erinnern, die Sie besonders beeindruckt hat?

Eine Mutter ist mit ihrer 17-jährigen Tochter, die während der Flucht ihren Geburtstag erlebt hat, in unserer kleinen Provinzstadt vor dem Rathaus hilfesuchend gestrandet. Wir haben den Kontakt über eine deutsche Frau, welche die kleine Familie in unsere Beratungsstelle geführt hat, hergestellt. Wir haben sie erstmal mit Essen und Trinken versorgt. Auch eine Dolmetscherin wurde innerhalb kürzester Zeit organisiert. Mit der Unterstützung der Dolmetscherin konnten wir reagieren und alles organisieren. Nach kürzester Zeit konnten wir eine Wohnung finden und ausstatten. Mittlerweile hat sich die Familie sehr gut integriert: Die Tochter besucht derzeit eine berufsbildende Schule in der Nachbarkommune. Die Mutter nimmt an einem Integrationssprachkurs teil. Beide haben sich schnell in ihrem neuen Leben zurechtgefunden.

Diese Begegnung aus der frühsten Vergangenheit hat uns gezeigt, wie wichtig und essenziell unsere Arbeit ist und dass wir diese, unsere Strukturen und alles, was damit in Verbindung steht, weiterführen müssen und sollen und die Menschen uns brauchen.

UNO-Flüchtlingshilfe: Wieso lohnt es sich aus Ihrer Sicht, sich für Geflüchtete einzusetzen?

Es lohnt sich, sich für Geflüchtete einzusetzen, da es eine Pflicht und im Interesse von uns allen sein sollte, sich für andere und vor allem Schwächere einzusetzen. Meine eigene Fluchtgeschichte aus meiner Heimat und meine eigenen Erfahrungen bezüglich der Hilfe für mich als Geflüchteten, die eher negativ als positiv behaftet waren, haben mich geprägt. Ich tue das, was für jede*n eine Selbstverständlichkeit darstellen sollte, und zwar denen zu helfen, die Hilfe benötigen und alles im Rahmen der persönlichen Möglichkeiten zu tun, eine Veränderung herbeizuführen. Dies ist auch der Grund, wieso ich diese Arbeit mache und mich so engagiere, um das Bestmögliche für die Geflüchteten zu erreichen. Da ich es zum einen nicht hatte und zum anderen daher weiß, wie es ist, allein gelassen zu werden und sich mühselig ohne weitere Kenntnisse in einem neuen Land zurechtzufinden.

Am Ende des Tages zählt auch nicht, wie weit man gekommen ist, sondern dass man den ersten Schritt in die richtige Richtung gewagt hat.

UNO-Flüchtlingshilfe: Was sind Ihre besten Argumente gegen Fremdenhass und Rassismus?

Ich glaube, dass es keinen besten Leitfaden bezüglich von Argumenten gegen Fremdenhass und Rassismus gibt, jedoch ist es wichtig den Menschen, die fremdenfeindlich und rassistisch sind, gegenüberzutreten und sie zu sensibilisieren. Anstatt auf Gegenangriff zu gehen und sich auf dieses Niveau herabzulassen, ist es wichtig, zuerst für sich selbst Rassismus Fremdenfeindlichkeit zu erkennen. Oftmals merken die verschiedensten Personengruppen nicht, dass es sich bei bestimmten Aussagen bereits um diskriminierende, fremdenfeindliche und rassistische Äußerungen handelt. Des Weiteren muss den Menschen mit diesem Gedankengut aufgezeigt werden, dass es sich als allererstes um Menschen wie Du und Ich handelt und nachfolgend aufzeigen, dass die Menschen aus bestimmten Gründen hier sind.

Es heißt in den direkten Dialog und die Konfrontation zu gehen, insbesondere mit dem nötigen Fachwissen und Hintergrundinformationen.

Dadurch klärt man sowohl diese Menschen auf und bestenfalls hinterfragen sie sich selbst, ihre Aussagen und ihr Verhalten und der Dialog führt zu einer nachhaltig positiven Veränderung. Man muss den Horizont durch Gespräche und Aufklärung erweitern. Durch menschenfreundliche, weltoffene und demokratische Dialoge erreicht man oftmals mehr Sensibilität als über den Weg der Schuldzuweisung oder schlimmstenfalls Beleidigungen oder Gewalt zwischen ihnen und den fremdenfeindlichen Menschen.

Vorurteile aus dem Weg räumen

UNO-Flüchtlingshilfe: Was sind Ihre Wünsche und Ziele für die Zukunft?

Meine Wünsche und Ziele für die Zukunft sind, dass Geflüchtete, egal wann, wie und wo auf der Welt sie auch ankommen mögen, mit offenen Armen und einer herzlichen Willkommenskultur begrüßt werden. Ich wünsche mir, dass man den Geflüchteten Chancen einräumt, der Aufnahmegesellschaft auf Augenhöhe zu begegnen, denn kein Mensch dieser Welt verlässt freiwillig seine Heimat und begibt sich auf die Flucht.
Es heißt zu investieren, auch bezüglich der Geflüchteten und ihrer Arbeitsmöglichkeiten und Einstiegsqualifizierungen. Die BRD im demografischen Wandel kann es sich nicht weiter leisten, an ihrer Rechtsprechung bezüglich der Arbeitserlaubnis im Rahmen des Asylgesetzes festzuhalten, da die Geflüchteten, wenn man die Möglichkeit schafft, noch mehr eine Bereicherung für dieses Land darstellen könnten, da wir so der Wandelproblematik entgegentreten und diese nachhaltig eindämmen können.

Für die Zukunft sonst wünsche ich mir, dass vorhandene und vor allem hart erarbeitete Veränderungen und Strukturen weitergeführt und ausgearbeitet werden können, mit der jeweiligen Unterstützung der verschiedensten Institutionen.

 

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