Fluchtort für viele Venezolaner*innen
Stand: 26.06.2024
Unter den lateinamerikanischen Ländern nimmt Brasilien eine führende Rolle im Flüchtlingsschutz ein. Aufgrund der politischen und sozioökonomischen Krise in Venezuela sind in den letzten Jahren Tausende Venezolaner*innen nach Brasilien geflüchtet. Sie flohen aus Venezuela vor Gewalt, Verfolgung und Mangel an Nahrung. Oftmals haben sie ihr gesamtes Hab und Gut zuhause lassen müssen. Bei der Ankunft benötigen sie vor allem Lebensmittel, Unterkünfte und Zugang zur Gesundheitsversorgung.
In Brasilien leben über 690.000 Flüchtlinge und andere Menschen, die internationalen Schutz benötigen. Mehr als 510.000 von ihnen kommen aus Venezuela. Die brasilianischen Behörden sprechen jedoch von einer weitaus größeren Zahl von Venezulaner*innen, die sich nach Grenzübertritt allerdings nicht registrieren.
Verheerende Überschwemmungen in Brasilien
Nach den schweren Regenfällen, die den Bundesstaat Rio Grande do Sul seit Anfang Mai heimsuchen, sind die Auswirkungen der Überschwemmungen verheerend: Fast 2,4 Millionen Menschen in 468 Gemeinden sind betroffen, davon wurden mehr als 420.000 Menschen vertrieben. Unter den Betroffenen befinden sich zehntausende Flüchtlinge. Hunderte wurden verletzt oder sind gestorben. Weitere starke Regenfälle werden erwartet.
Der UNHCR hat eine Notlage der Stufe 1 ausgerufen und unterstützt die Behörden sowie freiwillige Helfer*innen vor Ort. Der UNHCR bietet Schulungen zum Schutz und zur Verwaltung von Unterkünften an, verteilt Hilfsgüter wie Decken und Matratzen und stellt sicher, dass Flüchtlinge Zugang zu wichtigen Informationen und Dienstleistungen haben. Zudem werden Dokumente ersetzt, um den Zugang zu sozialen Leistungen zu gewährleisten, und psychologische Unterstützung wird bereitgestellt.
Schutzbedürftige
Venezolaner*innen leben 2024 in Brasilien
Haitianer*innen leben 2024 in Brasilien
Erklärung von Cartagena
Die brasilianische Regierung richtet sich nach der Erklärung von Cartagena von 1984, welche eine Erweiterung der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 darstellt. Sie wurde von Ländern im lateinamerikanischen Raum erarbeitet und angenommen. Die Erklärung erweitert den Anwendungsbereich des Flüchtlingsbegriffs auf Personen, die vor Konflikten und Unruhen fliehen. Diese Erklärung ist als vorbildlich vom UNHCR gelobt worden.
Die Regierung nutzt ihre Kapazitäten zum Flüchtlingsschutz
Die Regierung betreibt, abgesehen von Grenzschließungen als Reaktion auf die Ausbreitung des Coronavirus, weiterhin eine Politik der offenen Türen. Sie setzt sich dafür ein, dass schutzbedürftige Venezolaner*innen humanitäre Hilfe erhalten und fördert Projekte, die die wirtschaftliche und sozioökonomische Situation der Geflüchteten verbessern. Registrierte Flüchtlinge haben die gleichen Rechte wie einheimische Bevölkerung. Darin enthalten ist der Zugang zu grundlegenden Leistungen wie Gesundheitsversorgung, Bildung und Arbeit.
Der UNHCR unterstützt die Regierung bei der Registrierung der Neuankömmlinge. Er hilft, die Aufnahmekapazitäten auszubauen und engagiert sich zusätzlich verstärkt in den Bereichen Gesundheit, sanitäre Einrichtungen und Sicherheit.
Es ist mir nicht peinlich zu erzählen, dass ich auf der Straße gelebt und mein Essen im Müll gesucht habe. Ich habe eine zweite Chance im Leben bekommen und ich werde nicht aufgeben.
Elvis Daniel arbeitet in einer Klinik für medizinische Diagnostik und studiert nebenher an der University of Brasilia, nachdem er vor Verfolgung aus Venezuela floh.
In Boa Vista kämpfte Elvis Tag für Tag ums Überleben und landete auf der Straße, wo er sexuell missbraucht wurde. Er suchte in Mülltonnen nach Essen, als ihm ein UNHCR-Mitarbeiter zu Hilfe kam und ihm einen Platz in einer Unterkunft für LGBTI-Flüchtlinge sicherte. Zu diesem Zeitpunkt wog er gerade einmal 35 Kilo. Er erholte sich, fand Arbeit und konnte sich gut integrieren.
Grenzregionen stark belastet
Die venezolanischen Flüchtlinge kommen hauptsächlich im Bundesstaat Roraima an. Dadurch sind die Ressourcen in dieser Region stark ausgelastet. Der UNHCR unterstützt die Regierung dabei, die Flüchtlinge mit ihrer Zustimmung gerecht auf andere Bundesstaaten aufzuteilen. Die Umsiedlung bietet den Geflüchteten die Chance auf ein neues Leben, erhöht ihre Jobchancen und die sozioökonomische Integration in die brasilianische Gesellschaft wird insgesamt gefördert.
Seit Dezember 2019 werden die Asylanträge von Venezolaner*innen, welche die notwendigen Kriterien in Brasilien erfüllen, in einem beschleunigten Verfahren bearbeitet, ohne dass eine Anhörung erforderlich ist. Der UNHCR begrüßt diesen Schritt. Es ist ein Meilenstein für den Flüchtlingsschutz in der Region.
Schwierigkeiten bei der Integration
Trotz dieses günstigen rechtlichen Rahmens stoßen viele venezolanische Flüchtlinge auf Hindernisse beim Zugang zu sozialen Diensten, zum offiziellen Arbeitsmarkt und zum Bildungssystem. Zudem leben viele von ihnen unter miserablen Bedingungen in temporären, informellen Siedlungen. Vor allem in den Städten stehen Unterkünfte und andere Formen der Unterstützung für die Bedürftigsten nur begrenzt zur Verfügung. Die Schutzsuchenden sind der Gefahr ausgesetzt, von Schmugglerbanden oder bewaffneten Gruppen gefangen genommen oder ausgeraubt zu werden. Insbesondere Frauen und Mädchen müssen sich vor sexueller Gewalt und Übergriffen fürchten.
Der UNHCR ermutigt die brasilianische Regierung, weitere Maßnahmen zu ergreifen, um die Schwierigkeiten der Venezolaner*innen anzugehen, wie z. B. die erleichterte Überprüfung von Qualifikationen, eine verbesserte Sprachausbildung für Fachkräfte und Lehrer*inen und die Erhöhung der Schulkapazitäten.
Bildung für indigene Geflüchtete
Der Bildungssektor arbeitet eng mit venezolanischen indigenen Arbeitsgruppen zusammen, um eine gemeinsame Strategie für den Lehrplan zu erarbeiten. Somit soll gesichert werden, dass auf die Interessen und Bildungsbedürfnisse der indigenen Bevölkerung in Brasilien eingegangen wird.
Die Bildungsprogramme werden in drei Sprachen bereitgestellt: Portugiesisch, Spanisch und Warao, der Sprache indigener Bevölkerungsgruppen. Diese Programme werden aufgrund der COVID-19 Pandemie über das Radio gesendet, um den Kindern weiterhin Bildungsangebote bieten zu können.
Ich träume von dem Tag, an dem wir in unsere Heimat zurückkehren und unsere Kinder wieder in Sicherheit sind.
Eulirio Baes, ein 33-jähriger indigener Warao, flüchtete mit seiner Familie aus Venezuela, nachdem drei Verwandte, darunter auch seine neun Monate alte Tochter, starben, weil es keine medizinische Versorgung gab. Drei seiner Kinder können nun, mit der Unterstützung des UNHCR, zur Schule gehen.
Was macht der UNHCR vor Ort?
Der UNHCR
- unterstützt die brasilianische Regierung im Ausbau der Infrastruktur der Gesundheitswesen. So wird besonders der Neubau von Krankenhäusern unterstützt. Auch die Weiterbildung und Ausbildung medizinischen Personal wird gefördert.
- unterstützt bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie. Es werden Notunterkünfte und Materialien für die Isolationsbereiche für Flüchtlingen bereitgestellt. Besonders gefährdete Flüchtlinge erhalten Bargeldhilfen, Hygieneartikel und Informationen zu Präventions- und Reaktionsmaßnahmen zum Coronavirus. Speziell ausgebildete Mitarbeiter*innen unterstützen Betroffene sexueller- und geschlechtsspezifischer Gewalt.
- weist Bargeldhilfe zu. Dank der Bargeldhilfen erhalten die Menschen ein Stück Unabhängigkeit zurück und können ihre Grundbedürfnisse befriedigen.
- stattet Kinder und Jugendliche mit Materialien für die Schule aus. So wird garantiert, dass die jungen Flüchtlinge ohne Benachteiligungen am Unterricht teilnehmen können und Zugang zu Bildung haben.
- leistet Winterhilfe und unterstützt geflüchtete Menschen durch Hilfsgüter wie Matratzen, Moskitonetze, Hygiene Sets, Solarlampen. Zudem haben der UNHCR und seine Partner im Winter rund eine Tonne Kleidung im Land verteilt.
Der Spendenbedarf des UNHCR für die Hilfe in Brasilien im Jahr 2024 beträgt 53 Millionen US Dollar.
Wie hilft die UNO-Flüchtlingshilfe?
Die UNO-Flüchtlingshilfe unterstützt die Nothilfe-Maßnahmen des UNHCR für venezolanische Flüchtlinge und fördert inbesondere:
- die Schutzmaßnahmen,
- der Zugang zur Gesundheitsversorgung
- die Inklusion der Venezolaner*innen in die nationalen Systeme
- die Vereitlung von Hilfsgütern von Wasserkanistern, Solarlampen, Hygieneartikeln
- die Bereitstellung von Unterkünften
So können Sie helfen
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