Flüchtlingslager in Brasilien
© UNHCR/V.Tremeau

Trauma - mit Erlebtem leben lernen

Teilen

Wenn die Psyche leidet

Vertreibung, Verfolgung, Folter und Vergewaltigung sind traumatische Erlebnisse, die tiefe Spuren hinterlassen. Mehr als drei Viertel aller Geflüchteten aus den Herkunftsländern Syrien, Irak und Afghanistan, die nach Deutschland kamen, hatten, laut einer AOK-Studie, unterschiedliche Formen von Gewalt erlebt und waren dadurch oft mehrfach traumatisiert.

Traumatische Erlebnisse beeinträchtigen langfristig die Gesundheit der Betroffenen und erschweren oft eine erfolgreiche Integration in die Aufnahmegesellschaften. Denn nach der Flucht müssen die Menschen im Aufnahmeland neben den traumatischen Erlebnissen in der Vergangenheit auch mit unzähligen Alltagsproblemen und Zukunftssorgen kämpfen: Wo kann ich wohnen? Kann ich arbeiten? Welche Schule können die Kinder besuchen? Zu den finanziellen Sorgen kommt die Frage, ob ein langfristiger Aufenthalt im Land möglich ist.

Darum brauchen die Geflüchteten, neben ausreichend Zeit auch psychologische Hilfe, um die Traumata verarbeiten zu können, sie als Teil des eigenen Lebens zu akzeptieren und sich wieder ein neues Leben aufbauen zu können.

Trauma

In der Psychologie wird eine seelische Verletzung, die durch ein traumatisierendes Ereignis hervorgerufen wurde und eine starke psychische Erschütterung ausgelöst hat, als psychisches, seelisches oder mentales Trauma oder Psychotrauma bezeichnet. Solche Ereignisse können in einem Menschen extremen Stress auslösen, Gefühle der Hilfslosigkeit oder des Entsetzens.
Bleibt diese Angst- und Stressspannung über längere Zeit bestehen, kann es zu verschiedenen Krankheitsbildern und sog. posttraumatischen Belastungsstörungen kommen.

Wenn Sie dieses Video abspielen, werden Informationen über Ihre Nutzung an Youtube übertragen und unter Umständen gespeichert. Weitere Infos finden Sie dazu in unseren Datenschutzhinweisen.

Video Trauma

FAQs zum Thema Trauma:

Warum sind besonders Flüchtlinge betroffen?

Flüchtlinge sind vor und während der Flucht mit oft grausamen und lebensbedrohlichen Erlebnissen konfrontiert. Viele erfahren oder beobachten Krieg, (sexualisierte) Gewalt, Verfolgung, Folter, Überfälle, Terror und/oder Verlust von Familienangehörigen und Freunden. All das kann zu einem Trauma führen und psychische und körperliche Leiden mit sich ziehen.

Die Zeit nach einer Flucht kann das Trauma ebenfalls verstärken. Das Leben in Notunterkünften, langes Warten, unzureichende Integration und die Sorge um Familienmitglieder erschwert es den Geflüchteten die Vergangenheit zu bewältigen und ein neues Leben aufzubauen.

Welche Auswirkungen haben Traumata?

Traumata können diverse Auswirkungen auf die Psyche, das Verhalten und den Körper haben. Die erlebten Ereignisse sind tief im Gedächtnis verankert und können unkontrolliert wieder aufkommen. Je mehr traumatische Erlebnisse ein Mensch erlebt, desto stärker kann das Trauma sein. Bestimmte Situationen, Gerüche oder andere Reize können diese Erinnerungen aktivieren. Betroffene können unter anderem unter Depressionen oder Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) leiden.

Die Leistungs- und Konzentrationsfähigkeiten können eingeschränkt sein. Aggressivität, Suizidgedanken und/oder Motivationsverlust sind weitere Beispiele für mögliche Folgen, die wiederum das Leben in sehr vielen Bereichen beeinträchtigen können. Es kann Betroffenen schwerfallen, neue menschliche Beziehungen aufzubauen, die beim Heilungsprozess von seelischen Verletzungen helfen könnten. Traumatisierten kann es schwerfallen, sich in einer neuen Kultur einzuleben und zurechtzufinden, wodurch die Integration erschwert wird. Betroffene sind sehr verletzlich und können sich einsam fühlen.

Die Auswirkungen halten in manchen Fällen sehr lange an, vor allem wenn Unterstützung und eine Behandlung nicht gegeben sind.

Gibt es kulturelle Unterschiede?

Die Symptome eines Traumas sind kulturunabhängig. Dennoch ist die Wahrnehmung und Interpretation seelischer Verletzungen in verschiedenen Kulturen sehr unterschiedlich und wird durch die verschiedenen Werte und Normen der Kultur und Religion geprägt.

Viele Geflüchtete kennen aus ihren Heimatländern keine psychotherapeutische Versorgung und begegnen ihr mit Vorurteilen.

Oftmals suchen Betroffene erst einen Hausarzt oder eine Hausärztin auf, wenn sich ihr Trauma durch körperlichen Probleme äußert. Das führt nicht selten zu falschen Diagnosen und Behandlungen. Sprachliche Barrieren können zudem die Diagnose erschweren.

Warum sind Kinder und Jugendliche besonders betroffen?

Das Nerven- und Immunsystem ist bei Kindern nicht fertig ausgebildet. Sie befinden sich noch in ihrer Entwicklung. Negative Umwelteinflüsse, auch schon während der Schwangerschaft, können zu einer negativen Entwicklung des Kindes führen. Die Folgen, wie zum Beispiel Psychosen, begleiten Betroffene ein Leben lang.

Die Wahrscheinlichkeit eines Suizids ist bei betroffenen Kindern und Jugendlichen, die in ihrer frühen Entwicklungsphase traumatisiert wurden, 20 Mal höher. Am häufigsten leiden minderjährige Flüchtlinge unter Depressionen und Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS). Nach Schätzungen ist ein Drittel aller Flüchtlingskinder betroffen.

Kinder können auch Gewalt von Eltern erfahren, die oftmals selber durch Fluchterfahrungen unter psychischen Krankheiten leiden oder in ihrer Kindheit selber Gewalt erfahren haben. Dies kann körperliche aber auch emotionale Gewalt sein. Das belastet die Kinder und es besteht die Gefahr, dass sie die selbsterfahrene Gewalt später wiederum bei ihren Kindern anwenden können. Es kann ein Teufelskreislauf entstehen.

Wie hilft der UNHCR?

Der UNHCR hat das Programm „Mental Health and Psychosocial Support (MHPSS)“ ins Leben gerufen, welches lokale Mitarbeiter ausbildet und Flüchtlinge dabei unterstützt eine psychosoziale Versorgung zu bekommen.

Der UNHCR …

  • setzt sich dafür ein, dass Flüchtlinge in die nationalen Gesundheitssysteme aufgenommen werden und dass Psychotherapie in die medizinische Grundversorgung integriert wird,
  • schult spezialisiertes Gesundheitspersonal sowie Sozialarbeiter und Freiwillige und gründet Hilfegruppen,
  • versorgt Gesundheitsministerien, lokale Kliniken und Partnerorganisationen mit Medikamenten zur Behandlung von psychischen Erkrankungen und neurologischen Störungen wie Epilepsie,
  • priorisiert die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Flüchtlingsgemeinschaften, um angemessene und zugeschnittene Unterstützungsdienste bereitzustellen,
  • integriert psychische Gesundheit und psychosoziale Unterstützung in bestehende Angebote, wie zum Beispiel Sport- oder Computerkurse,
  • konzentriert sich unter anderem besonders auf die psychische Gesundheit von Überlebenden von geschlechtsspezifischer Gewalt sowie für Kinder und Familien und
  • hat eine neue Bildungsstrategie entwickelt, die soziales und emotionales Lernen fördert.

Die meisten Fälle, die wir sehen sind Angstzustände, Depressionen, Panikattacken und manchmal Phobien bei Kindern.

Manar Bashara arbeitet als Psychologin im Zentrum Für mentale Gesundheit im Flüchtlingslager Azraq in Jordanien. Jeden Tag sieht sie rund fünf Patienten, die Unterstützung und Beratung erhalten.

Psychosoziale Hilfe in Deutschland

In Deutschland erhalten Geflüchtete bei psychologischen Problemen Hilfe und Unterstützung in sogenannten Psychosozialen Zentren. Dort arbeiten speziell ausgebildete Psychologen, die sich um die traumatisierten Flüchtlinge kümmern. In Einzel- oder Gruppentherapien lernen die Betroffenen sich mit ihrem Schicksal auseinanderzusetzen, mit dem Erlebten zu leben und neue Kraft zu schöpfen, um das teils zermürbende Asylverfahren durchzustehen.

Die Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer berichtet im November 2020 in ihrem Versorgungsbericht jedoch: "Die Wartezeiten auf einen Therapieplatz in den Psychosozialen Zentren liegen bei durchschnittlich 7 Monaten, in fast 30 % der Zentren sogar zwischen 9 Monaten und eineinhalb Jahren."

Hinzu kommt, dass die Betroffenen über die psychologische Behandlung hinaus auch Unterstützung im Alltag bedürfen. Das Leben in der Fremde bringt jeden Tag viele neue Fragen und Herausforderungen mit sich. Sei es im Umgang mit Behörden, die fremde Sprache oder ungewohnte Verhaltensweisen. Viele Flüchtlinge fühlen sich überfordert oder auch einsam und allein gelassen. Besonders minderjährige Flüchtlinge, die ohne Familie nach Deutschland gekommen sind, leiden darunter.

Um Flüchtlingen das Leben in Deutschland zu erleichtern, haben verschiedene lokale Flüchtlingsinitiativen Netzwerke von ehrenamtlichen Helfern aufgebaut, die die Flüchtlinge in ihrem Alltag begleiten und ihnen beratend zur Seite stehen.

Die UNO-Flüchtlingshilfe förderte 2020 mit 594.830,- Euro viele Einrichtungen in ganz Deutschland, die sich um die psychologische Betreuung und Beratung von Flüchtlingen kümmern.

Flüchtlingskinder

So können Sie helfen

Sie möchten Menschen auf der Flucht zur Seite stehen?
Dann unterstützen Sie unsere lebensrettende Hilfe noch heute mit Ihrer Online-Spende. Jeder Beitrag hilft!

  jetzt spenden
Junge sitzt auf Stuhl vor Zelt Brasilien_RF2224895.jpg