workshop mit Bewohnern eines AnkER-Zentrums
© Ärzte der Welt

reach.out

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Verbesserung der Gesundheitsversorgung von Geflüchteten in bayerischen AnkER-Zentren

In vielen Flüchtlingsunterkünften herrschen schwierige Lebensbedingungen. Die beengten Wohnverhältnissen und eine mangelhafte Gesundheitsversorgung sind für die Betroffenen extrem belastend. Eine Aufarbeitung von traumatischen Erfahrungen im Heimatland und auf der Flucht wird dadurch beinahe unmöglich. Die Sorge um Angehörige,  fehlende Privatssphäre, die soziale Isolation, die Unsicherheit über die eigene Zukunft sowie fehlende Informationen über das Asylverfahren und die eigenen Rechte können vorherige psychische Erkrankungen verstärken oder gar Auslöser dafür sein. Es mangelt zudem an Beratungsstrukturen und Bewohner*innen werden kaum über ihre Handlungsmöglichkeiten informiert, sodass sie ihre Rechte nicht wahrnehmen können.

Das reach.out-Projekt von Ärzte der Welt

Das Projekt verfolgt deshalb das Ziel, die individuelle Gesundheitskompetenz von Bewohner*innen der bayerischen Geflüchtetenunterkünften zu stärken, besonders vulnerable Menschen zu unterstützen und genderbasierte Gewalt in Unterkünften zu verhindern. Das Projekt soll zudem politische Entscheidungsträger*innen sensibilisieren, um strukturelle Verbesserungen in der Gesundheitsversorgung von Geflüchteten zu ermöglichen.

Um diese Ziele zu erreichen, wurden vier Maßnahmen umgesetzt:

  1. Schulung von Multiplikator*innen: Menschen mit eigenen Fluchterfahrungen werden zu Themen wie psychische und sexuelle Gesundheit, genderbasierter Gewalt sowie zu Rechten und Handlungsmöglichkeiten geschult, um Mitbewohner*innen als niedrigschwellige Ansprechpartner*innen zu unterstützen.
  2. Durchführung von mehrwöchigen Workshops und Einzelberatungen zu den Schwerpunktthemen Gesundheit, Gewalt und Rechte  
  3. Erstellung von mehrsprachigen Broschüren und Informationsmaterial zu den Themenschwerpunkten, die durch die Multiplikator*innen verteilt werden. Sprachaufnahmen zu einzelnen Themenbereichen, die per Whatsapp-Nachrichten auch nicht-alphabetisierte Menschen erreichen.
  4. Politische- und Öffentlichkeitsarbeit zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit über die herrschenden Missstände, Austausch mit politischen Entscheidungsträger*innen

 

Eine dieser Multiplikator*innen ist Zarifa Raji. Als afghanische Frau musste sie ihr Heimatland verlassen, um dem Krieg sowie der Unterdrückung durch die Taliban zu entkommen. Im reach.out-Projekt setzt sie nun ihre Erfahrung ein, um Menschen mit ähnlichem Schicksal zu helfen.

In unserem Blog berichtet sie über ihre Flucht, ihr Engagement und ihre Hoffnung.

Zum Blogbeitrag

Mehr Ansprechpartner*innen für die Betroffenen
Die Umsetzung des Projekts war nicht einfach, da die Kapazitäten vor Ort für die Unterstützung und Versorgung der Menschen begrenzt waren. So kam es vor, dass besonders vulnerable Personen mit dringendem Bedarf nach psychiatrischer oder psychologischer Unterstützung identifiziert wurden, aber die zuständigen Behörden nicht reagierten. Auch darum ist der Einsatz von Multiplikator*innen, die nah an den Betroffenen leben und arbeiten ein großer Gewinn.

Die (psychische) Gesundheit unserer Multiplikator*innen steht natürlich an erster Stelle. Durch regelmäßige Supervisionen und Gespräche versuchen wir sie hier zu unterstützen.

Stärkeres Bewußtsein für Gesundheitsbelange
Das Projekt hat dazu beigetragen, die Gesundheitskompetenz von Flüchtlingen zu stärken und die Aufmerksamkeit auf die Missstände in der Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen zu lenken. Ebenfalls wurden lokale Unterstützungsstrukturen gestärkt sowie politische Entscheidungsträger*innen sensibilisiert, was langfristige strukturelle Veränderungen in der Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen fördern kann.

Die Lebensbedingung in Flüchtlingsunterkünften müsse sich weiter verbessern, sagt die Projektkoordinatorin:

Wir fordern eine sofortige Verbesserung der derzeit herrschenden, krankmachenden Lebensbedingungen in vielen Geflüchtetenunterkünften. Die Kapazitäten, insbesondere in der medizinischen Versorgung und den Sozialdiensten, müssen deutlich ausgebaut werden.


Die UNO-Flüchtlingshilfe förderte das Projekt von Ärzte der Welt im Zeitraum vom 01.02.2022 - 31.01.2023 mit 20.144€.