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Eine Kindheit im Krieg und auf der Flucht

Mit dem Konflikt in der Ukraine liegt der Fokus der Welt auf einer akuten Krise, dabei dürfen wir das anhaltende Leid in anderen Teilen der Welt nicht vergessen. Am 15. März jährt sich der Konflikt in Syrien zum elften Mal und damit das Leid einer gesamten Generation - denn in Kriegen und Konflikten sind die Kinder besonders betroffen.

Anlässlich des Jahrestages - und stellvertretend für Millionen von Flüchtlingskindern weltweit - erzählt uns Ajein ihre Geschichte: von ihrem Leben in Syrien, ihrer Flucht nach Deutschland, ihrem jetzigen Leben in Dortmund und wie ihr die Flucht in ein neues Land eine Schulbildung überhaupt ermöglicht hat.

Anlässlich des Jahrestages - und stellvertretend für Millionen von Flüchtlingskindern weltweit - erzählt uns Ajein ihre Geschichte: von ihrem Leben in Syrien, ihrer Flucht nach Deutschland, ihrem jetzigen Leben in Dortmund und wie ihr die Flucht in ein neues Land eine Schulbildung überhaupt ermöglicht hat.

Als plötzlich alles anders war

Mein Name ist Ajein, ich bin 17 Jahre alt, wohne derzeit in Dortmund und komme ursprünglich aus Syrien, aus der Nähe von Qamischli. Ich weiß, ich bin erst 17 Jahre alt, aber trotzdem habe ich schon mehr erlebt als die meisten anderen in meinem Alter.

Im März 2011 begann der Bürgerkrieg in Syrien. Im Juli 2012 war ich sieben Jahre alt. Von einem Moment auf den anderen änderte sich damals alles für mich. Ich habe meiner Mutter beim Pflanzen gießen geholfen als ich plötzlich hinfiel. Meine Mutter wusste nicht was sie tun sollte und rief laut nach meinem Onkel. Er kam sofort und zusammen haben sie mich mit dem Auto zum Hausarzt – gleichzeitig ein Verwandter meiner Mutter - gefahren. Der Arzt erklärte meiner Mutter, dass ich einen Schlaganfall hatte und sofort ins Krankenhaus gebracht werden muss. Im Krankenhaus bestätigten die Ärzte die Diagnose und verschrieben mir Krankengymnastik und Ergotherapie.

Ich habe lange nicht verstanden, dass ich einen Schlaganfall hatte. Immer wenn ich meine Eltern fragte, sagten sie mir, dass ich in ein paar Monaten wieder gesund sein würde. Sie wollten mich nicht beunruhigen. Als ich nach ein paar Monaten aber immer noch Probleme hatte, meinen rechten Arm zu bewegen, fragte ich wieder und wieder nach. Wegen meines Schlaganfalls musste ich als Rechtshänderin von da an lernen, mit links zu schreiben.

Leben im Krieg

2012 herrschte bereits ein Jahr lang Krieg in Syrien. Auf dem Weg zur Schule, ich war damals in der zweiten Klasse, wurden wir immer von Soldaten kontrolliert. Als ich meine Mutter danach fragte, erzählte sie mir, dass die Soldaten da wären, um uns zu beschützen. Aber ich spürte, dass das nicht die Wahrheit war, schließlich wurde ich in der ersten Klasse nie kontrolliert. 

Meine Familie und ich hatten oft nichts zu essen, mittags gab es meistens trockenes Brot mit Tomaten. Reis war ein Luxus. Wir hatten auch wochenlang kein warmes Wasser zum duschen und mussten Wasser selber kochen, um uns waschen zu können. Im Winter mussten wir Brennholz kaufen oder sogar Äste von den Bäumen nehmen, damit wir nicht krank wurden und in der Kälte schlafen konnten. Stromausfälle gehörten zur Normalität. 

Viele syrische Familien leben bis heute täglich mit Angst und Gewalt. Sie können ihre Häuser nicht mehr verlassen, weil es draußen auf der Straße zu gefährlich ist.

Ich habe viele Menschen vor meinen Augen sterben sehen. Aus diesem Grund hatte ich manchmal Angst, in die Schule oder zu meinen Arztterminen zu gehen. Oft konnte ich auch nicht zu meinen Terminen, weil es zu gefährlich war oder die Krankenhäuser oder Praxen durch Bombenanschläge zerstört wurden. Viele Ärzte sind schließlich auch geflüchtet oder gestorben. Um meine Arzttermine überhaupt bezahlen zu können, hat mein Vater Tag und Nacht gearbeitet - wir haben ihn zu dieser Zeit kaum gesehen.

Zuhause konnten wir nicht bleiben

Allein schafft es niemand. Für Geld helfen Menschen anderen über die Grenze, sie verdienen dabei an dem Leid anderer Leute.

Als ich zehn Jahre alt war, hat meine Familie beschlossen nach Deutschland zu fliehen, wo mein Onkel schon seit vielen Jahren lebte. Als meine Mutter mir erzählte, dass wir in die Türkei reisen würden, habe ich mich riesig gefreut – ich dachte wir fahren in den Urlaub. Als ich aber sah, wie meine Mutter sich von meiner Oma verabschiedete und beide im Nebenzimmer weinten, wurde mir klar, dass wir wohl nicht nur in den Urlaub fahren. 

Ich hatte große Angst auf der Flucht. Die ersten beiden Versuche, von Syrien in die Türkei zu fliehen haben nicht funktioniert. Bei unserem dritten Versuch, schafften es mein Bruder und mein Vater über die Grenze, ich jedoch verfing mich in einem Draht. Zwei Soldaten kamen auf mich zu, einer von ihnen hielt mir seine Waffe an den Kopf. Sie fragten uns auf Kurdisch, was wir hier tun und forderten uns auf zurückzugehen. Ich kehrte daraufhin gemeinsam mit meiner Mutter und meiner Schwester wieder um. Wir blieben einige Tage bei Helfern nahe der Grenze und versuchten es ein paar Tage später ein viertes Mal, diesmal waren wir viel mehr Menschen. Und es klappte. Allerdings mussten wir auch alle ein Stück mit viel zu kleinen Booten übers Meer fahren – die „Helfer“ fuhren nicht mit, sie hatten ihr Geld schon kassiert. Kaum am Festland angekommen, rannten wir. Endlich in der Türkei angekommen und mit meinem Vater und meinem Bruder wieder vereint, warteten wir auf unsere Weiterreise nach Deutschland. Nach ungefähr zwei Monaten ging es dann weiter nach Düsseldorf.

Neue Heimat?

Ich kann mich noch gut an den Moment erinnern, als wir mit dem Flugzeug in Düsseldorf angekommen sind und meine ganze Familie dort auf uns gewartet hat. Ich kann das Gefühl gar nicht beschreiben, aber es war ein sehr schönes Gefühl. Ich musste damals auch vor Glück weinen. 
Als erstes ging es für uns zur Ausländerbehörde, um uns anzumelden. Die nächsten Monate haben wir dann abwechselnd bei meiner Tante und meinem Onkel, die bereits in Deutschland lebten, gewohnt. 

Bei unserer Ankunft konnte ich noch kein Deutsch. Durch meine Cousins und Cousinen und durch YouTube Videos habe ich meine ersten deutschen Wörter und Sätze gelernt. Bevor ich in die Schule kam, habe ich zusätzlich einen vier monatigen Sprachkurs gemacht. Als erstes kam ich in die Hauptschule, dann wurde ich doch auf die Gesamtschule hochgestuft. Außerdem kam ich sehr schnell, weil ich meine Klausuren sehr gut bestanden habe, von der 5. in die 7. Klasse, das war anfangs jedoch sehr schwer für mich, weil ich sehr schüchtern war als Kind.

Inzwischen fühle ich mich sehr wohl in Deutschland. Ich kann mir auch nicht vorstellen zurück nach Syrien zu ziehen, auch wenn ich meine Familie dort sehr vermisse. Dennoch wird Syrien für immer meine Heimat bleiben. 

Keine Zukunft in Syrien

Für die Menschen in Syrien ist der Bürgerkrieg Alltag, er ist zur Routine geworden. Genauso wie man hier in Deutschland aufsteht, zur Arbeit geht, wieder nach Hause geht oder sich mit Freunden trifft, erleben Menschen in Syrien täglich wie Menschen sterben oder an Hunger leiden. In Syrien hätten weder ich noch meine Geschwister eine gute Zukunft haben können. Ich habe in den Nachrichten gesehen, dass unsere Schule durch einen Bombenanschlag zerstört wurde. Ich hätte also keinen Schulabschluss, wären wir nicht geflohen. Denn in Syrien ist die Infrastruktur auch nicht mehr intakt genug, um sicherzustellen, dass allen Kindern ein Schulplatz gestellt wird.

So wie Ajein ergeht es weltweit Millionen Flüchtlingskindern. Egal ob in Syrien, der Ukraine, im Südsudan oder Venezuela – kein Kind sollte dies ertragen müssen. Sie alle verdienen unsere Unterstützung!
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Als plötzlich alles anders war

Mein Name ist Ajein, ich bin 17 Jahre alt, wohne derzeit in Dortmund und komme ursprünglich aus Syrien, aus der Nähe von Qamischli. Ich weiß, ich bin erst 17 Jahre alt, aber trotzdem habe ich schon mehr erlebt als die meisten anderen in meinem Alter.

Im März 2011 begann der Bürgerkrieg in Syrien. Im Juli 2012 war ich sieben Jahre alt. Von einem Moment auf den anderen änderte sich damals alles für mich. Ich habe meiner Mutter beim Pflanzen gießen geholfen als ich plötzlich hinfiel. Meine Mutter wusste nicht was sie tun sollte und rief laut nach meinem Onkel. Er kam sofort und zusammen haben sie mich mit dem Auto zum Hausarzt – gleichzeitig ein Verwandter meiner Mutter - gefahren. Der Arzt erklärte meiner Mutter, dass ich einen Schlaganfall hatte und sofort ins Krankenhaus gebracht werden muss. Im Krankenhaus bestätigten die Ärzte die Diagnose und verschrieben mir Krankengymnastik und Ergotherapie.

Ich habe lange nicht verstanden, dass ich einen Schlaganfall hatte. Immer wenn ich meine Eltern fragte, sagten sie mir, dass ich in ein paar Monaten wieder gesund sein würde. Sie wollten mich nicht beunruhigen. Als ich nach ein paar Monaten aber immer noch Probleme hatte, meinen rechten Arm zu bewegen, fragte ich wieder und wieder nach. Wegen meines Schlaganfalls musste ich als Rechtshänderin von da an lernen, mit links zu schreiben.

Leben im Krieg

2012 herrschte bereits ein Jahr lang Krieg in Syrien. Auf dem Weg zur Schule, ich war damals in der zweiten Klasse, wurden wir immer von Soldaten kontrolliert. Als ich meine Mutter danach fragte, erzählte sie mir, dass die Soldaten da wären, um uns zu beschützen. Aber ich spürte, dass das nicht die Wahrheit war, schließlich wurde ich in der ersten Klasse nie kontrolliert. 

Meine Familie und ich hatten oft nichts zu essen, mittags gab es meistens trockenes Brot mit Tomaten. Reis war ein Luxus. Wir hatten auch wochenlang kein warmes Wasser zum duschen und mussten Wasser selber kochen, um uns waschen zu können. Im Winter mussten wir Brennholz kaufen oder sogar Äste von den Bäumen nehmen, damit wir nicht krank wurden und in der Kälte schlafen konnten. Stromausfälle gehörten zur Normalität. 

Viele syrische Familien leben bis heute täglich mit Angst und Gewalt. Sie können ihre Häuser nicht mehr verlassen, weil es draußen auf der Straße zu gefährlich ist.

Ich habe viele Menschen vor meinen Augen sterben sehen. Aus diesem Grund hatte ich manchmal Angst, in die Schule oder zu meinen Arztterminen zu gehen. Oft konnte ich auch nicht zu meinen Terminen, weil es zu gefährlich war oder die Krankenhäuser oder Praxen durch Bombenanschläge zerstört wurden. Viele Ärzte sind schließlich auch geflüchtet oder gestorben. Um meine Arzttermine überhaupt bezahlen zu können, hat mein Vater Tag und Nacht gearbeitet - wir haben ihn zu dieser Zeit kaum gesehen.

Zuhause konnten wir nicht bleiben

Allein schafft es niemand. Für Geld helfen Menschen anderen über die Grenze, sie verdienen dabei an dem Leid anderer Leute.

Als ich zehn Jahre alt war, hat meine Familie beschlossen nach Deutschland zu fliehen, wo mein Onkel schon seit vielen Jahren lebte. Als meine Mutter mir erzählte, dass wir in die Türkei reisen würden, habe ich mich riesig gefreut – ich dachte wir fahren in den Urlaub. Als ich aber sah, wie meine Mutter sich von meiner Oma verabschiedete und beide im Nebenzimmer weinten, wurde mir klar, dass wir wohl nicht nur in den Urlaub fahren. 

Ich hatte große Angst auf der Flucht. Die ersten beiden Versuche, von Syrien in die Türkei zu fliehen haben nicht funktioniert. Bei unserem dritten Versuch, schafften es mein Bruder und mein Vater über die Grenze, ich jedoch verfing mich in einem Draht. Zwei Soldaten kamen auf mich zu, einer von ihnen hielt mir seine Waffe an den Kopf. Sie fragten uns auf Kurdisch, was wir hier tun und forderten uns auf zurückzugehen. Ich kehrte daraufhin gemeinsam mit meiner Mutter und meiner Schwester wieder um. Wir blieben einige Tage bei Helfern nahe der Grenze und versuchten es ein paar Tage später ein viertes Mal, diesmal waren wir viel mehr Menschen. Und es klappte. Allerdings mussten wir auch alle ein Stück mit viel zu kleinen Booten übers Meer fahren – die „Helfer“ fuhren nicht mit, sie hatten ihr Geld schon kassiert. Kaum am Festland angekommen, rannten wir. Endlich in der Türkei angekommen und mit meinem Vater und meinem Bruder wieder vereint, warteten wir auf unsere Weiterreise nach Deutschland. Nach ungefähr zwei Monaten ging es dann weiter nach Düsseldorf.

Neue Heimat?

Ich kann mich noch gut an den Moment erinnern, als wir mit dem Flugzeug in Düsseldorf angekommen sind und meine ganze Familie dort auf uns gewartet hat. Ich kann das Gefühl gar nicht beschreiben, aber es war ein sehr schönes Gefühl. Ich musste damals auch vor Glück weinen. 
Als erstes ging es für uns zur Ausländerbehörde, um uns anzumelden. Die nächsten Monate haben wir dann abwechselnd bei meiner Tante und meinem Onkel, die bereits in Deutschland lebten, gewohnt. 

Bei unserer Ankunft konnte ich noch kein Deutsch. Durch meine Cousins und Cousinen und durch YouTube Videos habe ich meine ersten deutschen Wörter und Sätze gelernt. Bevor ich in die Schule kam, habe ich zusätzlich einen vier monatigen Sprachkurs gemacht. Als erstes kam ich in die Hauptschule, dann wurde ich doch auf die Gesamtschule hochgestuft. Außerdem kam ich sehr schnell, weil ich meine Klausuren sehr gut bestanden habe, von der 5. in die 7. Klasse, das war anfangs jedoch sehr schwer für mich, weil ich sehr schüchtern war als Kind.

Inzwischen fühle ich mich sehr wohl in Deutschland. Ich kann mir auch nicht vorstellen zurück nach Syrien zu ziehen, auch wenn ich meine Familie dort sehr vermisse. Dennoch wird Syrien für immer meine Heimat bleiben. 

Keine Zukunft in Syrien

Für die Menschen in Syrien ist der Bürgerkrieg Alltag, er ist zur Routine geworden. Genauso wie man hier in Deutschland aufsteht, zur Arbeit geht, wieder nach Hause geht oder sich mit Freunden trifft, erleben Menschen in Syrien täglich wie Menschen sterben oder an Hunger leiden. In Syrien hätten weder ich noch meine Geschwister eine gute Zukunft haben können. Ich habe in den Nachrichten gesehen, dass unsere Schule durch einen Bombenanschlag zerstört wurde. Ich hätte also keinen Schulabschluss, wären wir nicht geflohen. Denn in Syrien ist die Infrastruktur auch nicht mehr intakt genug, um sicherzustellen, dass allen Kindern ein Schulplatz gestellt wird.

So wie Ajein ergeht es weltweit Millionen Flüchtlingskindern. Egal ob in Syrien, der Ukraine, im Südsudan oder Venezuela – kein Kind sollte dies ertragen müssen. Sie alle verdienen unsere Unterstützung!
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