Studieren im Exil: Stipendienprogramm bietet Zukunftsperspektiven
Unter den Millionen syrischen Flüchtlingen befinden sich viele Studenten, die aufgrund des Kriegs und der Flucht ihr Studium abbrechen mussten. Ihnen bietet die Deutsche Akademische Flüchtlingsinitiative Albert Einstein (DAFI) neue Zukunftsperspektiven.
Das Stipendiumprogramm, welches maßgeblich von der deutschen Bundesregierung finanziert und seit mehreren Jahren auch von der UNO-Flüchtlingshilfe gefördert wird, unterstützt junge Flüchtlinge bei ihrem Studium an Universitäten, Hochschulen und Kollegien in den jeweiligen Aufnahmeländern.
Shebab
Shehab, ein 22-jähriger Student aus Syrien, posiert stolz vor der Statue von Kemal Atatürk – dem Begründer der modernen Türkei – am Eingang der Haceteppe Universität in Ankara. Shehab ist aus Aleppo geflohen und ist im zweiten Jahr seines Studiums der Gesundheitswissenschaften. Er ist auch Stipendiat der von Deutschland finanzierten DAFI-Stipendien.
Seine Familie lebt noch immer in Aleppo. Das letzte Mal hat er sie im August 2014 gesehen. „Meine Eltern haben mich dazu gedrängt Aleppo zu verlassen“, erzählt er. „Ich musste mich zwischen Gefahr und einem sicheren Ort, an dem ich studieren kann, entscheiden.“
„Mein Bruder ist älter als ich und hat seinen Militärdienst abgeleistet. Wenn ich Syrien nicht verlassen hätte, wäre auch ich dazu gezwungen worden, weil schon so viele Soldaten im Krieg gestorben sind.“
Über das Internet bleibt Shehab mit seiner Familie in Kontakt, allerdings klappt auch das aufgrund des Krieges nicht immer reibungslos. „Letztes Jahr haben sie das Technologiezentrum in Aleppo bombardiert und es gab für acht Monate kein Internet. Jetzt funktioniert es wieder.“
Dass er sich in seinem Studium auf Physiotherapie und Rehabilitation spezialisiert, hat persönliche Gründe. Als er 14 Jahre alt war, hatte seine Familie einen Autounfall in der Nähe von Aleppo, bei dem sein Vater sich das Bein brach. „Ich habe ihn oft begleitet und zugeschaut, wie sie ihm das Laufen wieder beigebracht haben.“
Dieses Erlebnis motivierte ihn dazu Physiotherapie zu studieren, aber diese Studienrichtung gab es in Syrien nicht. Das DAFI-Stipendium, das Flüchtlingen weltweit Zugang zu höherer Bildung ermöglicht, hat auch Shehab das Studium der Physiotherapie ermöglicht und er ist dafür zutiefst dankbar.
„In meinem ersten Jahr haben mich meine Eltern noch finanziell unterstützt und ich habe mich immer so schlecht gefühlt das Geld von ihnen, die in einer Kriegssituation leben, anzunehmen.“, erzählt er. „Mein Vater ist mittlerweile alt und arbeitet nicht mehr. Mit dem Stipendium kann ich mich jetzt auf mein Studium konzentrieren und muss mir keine Sorgen mehr wegen des Geldes machen. Meine Familie ist sehr glücklich und erleichtert.“
„Kein Krieg wird für immer andauern“, fügt er hinzu. „Wenn ich mit dem Studium fertig bin, will ich meine eigene Klinik in Aleppo aufmachen. Das ist mein größter Traum.“
Mahmoud
Ein anderer DAFI-Stipendiat, der 20-jährige Mahmoud, befindet sich gerade in seinem ersten Studienjahr an der Universität Ankara, wo er Maschinenbau studiert. Auch seine Familie kommt aus Aleppo und floh vor den Bomben und um Mahmoud vor dem Militärdienst zu bewahren, nach Gaziantep, im Südosten der Türkei.
„Ich wollte schon immer Maschinenbau studieren, auch wenn meine Familie für mich eher ein Medizinstudium vorgesehen hatte.“
Besonders interessieren ihn neue Technologien, die Erdöl ersetzen sollen. „Ich habe von einem neuen Projekt gehört, bei dem Erdgas saubere Energie erzeugen wird … Ich will auch in solchen Projekten arbeiten, das ist mein Traum.“
Mahmoud sagt, er hätte sich sein Studium ohne das DAFI-Stipendium nicht leisten können.
Geyda
Geyda ist 20 Jahre alt und im zweiten Jahr ihres Betriebswissenschaftsstudium. Ihre Familie kommt aus Hama und sie erzählt uns eine erschütternde Geschichte von ihrer Flucht.
„Ich habe vor unserem Haus gesessen als die Bomben kamen“, sagt sie. „Ich habe mich über meinen Bruder geworfen um ihn zu schützen – er war zu dem Zeitpunkt gerade mal 2 Jahre alt – aber ich habe mir dabei den Bauch und die Hand verletzt."
Geyda musste der Bauch mit 20 Stichen genäht werden. Allerdings wurde auch das Krankenhaus, in dem sie behandelt wurde bombardiert und die letzten Stiche mussten auf der Straße vollendet werden. „Wir sind so schnell wie möglich geflohen.“
Vor drei Jahren kamen sie in die Türkei und ihre Familie wohnt nun im Harran-Camp. Sie ist die Älteste von fünf Kindern. Zuerst musste sie täglich zwischen dem Camp und der Universität pendeln – 90 Minuten Weg – und kam daher oft zu spät zu ihren Kursen. Dank ihres Stipendiums teilt sie sich nun eine Wohnung nur 15 Minuten vom Campus entfernt und besucht ihre Familie an den Wochenenden.
Sie hofft darauf, in einer Bank oder einer privaten Firma als Buchhalterin arbeiten zu können, am liebsten in Ankara.
„Es ist eine wunderschöne Stadt und außerdem auch die Hauptstadt. Wir haben dort Verwandte und es gibt Arbeitsmöglichkeiten.“
Raanya
Die 19-jährige Raanya kam vor 3 Jahren aus Deir al-Zour im östlichen Syrien mit ihrer Familie in die Türkei. Sie lebt mit ihrer Familie in Sanliurfa.
Sie ist momentan im ersten Jahr ihres Studiums der Lebensmitteltechnik. „Wenn ich mit meinem Studium fertig bin, würde ich gerne zurück nach Syrien gehen und dort im Bereich Lebensmittel und Ernährung arbeiten. Als Lebensmittelingenieurin hoffe ich, mich positiv für die Ernährung und die Gesundheit meines Landes einsetzen zu können.“
Durch das DAFI Stipendium ist sie ihrem Traum ein Stück näher gekommen. „Ohne das Stipendium hätte sich meine Familie keine Bildung für mich leisten können“, sagt sie.
Dua
Dua, 18 Jahre alt, kommt aus Aleppo und lebt mit ihrer Familie ebenfalls in Sanliurfa. Sie befindet sich momentan im ersten Jahr eines Kurses über öffentliche Verwaltung. Das Fach wird in Syrien nicht unterrichtet, aber Dua las im Internet darüber.
Mit dem Stipendium konnte sie sich Bücher kaufen und bekam eine Perspektive für ihre Zukunft: „Ich träume von einer Gesellschaft mit gleichen Rechten und Chancen für Alle.“
Dua hofft darauf in ihr Land zurückkehren zu können um dort in der öffentlichen Verwaltung zu arbeiten und ihren Traum einer gleichberechtigten Gesellschaft umzusetzen.
Yousef
Yousef kommt aus Damaskus und ist momentan im ersten Jahr seines Umwelttechnikstudiums an der Technischen Universität des Nahen Ostens (METU) in Ankara, eine der besten Universitäten der Türkei.
„Ich bin wirklich glücklich“, sagt der 25-jährige. „Ich bin so stolz darauf hier zu sein. METU ist das Beste, was mir passieren konnte.“
„Ich fühle mich sicher und bin dankbar für die Unterstützung durch mein Stipendium. An der Universität zu studieren öffnet einem so viele Türen und verschiedene Bereiche, in denen man zukünftig arbeiten kann.“
„Ich könnte Ingenieur werden, ein Wissenschaftler, sogar ein politischer Aktivist. Es gibt so viele verschiedene Möglichkeiten und die nächsten vier Jahre werden mich sicherlich für meine Zukunft prägen.“
Yousef’s Familie – seine Eltern und zwei Brüder – sind noch in Syrien. Vor drei Jahren hat Yousef sie das letzte Mal gesehen, obgleich sie den Kontakt über Skype halten.
„Die Situation ist schwierig und sie wollen nur, dass der Krieg aufhört. Unsere syrischen Städte sind zu Schlachtfeldern geworden und es ist schwierig daran zu denken, dass meine Familie in einer solchen Situation lebt“, sagt er.