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Flüchtlingslager Zaatari: Ein Symbol für 12 Jahre Syrien-Krise

Seit Ausbruch des Bürgerkrieges wurden Millionen Syrer*innen gezwungen, ihre Heimat zu verlassen und in anderen Ländern Zuflucht zu suchen. In Zaatari, einem der größten Flüchtlingslager der Welt, kämpfen die Bewohner*innen zwölf Jahre nach Beginn des Konflikts weiterhin um ein besseres Leben.

Vom Lager zur Flüchtlingsstadt

Am 28. Juli 2012 brach eine Gruppe von 450 Syrer*innen, die vor der Gewalt in ihrem Land floh, im Schutze der Dunkelheit aus der Wüste auf und überquerte die Grenze zum benachbarten Jordanien. Noch am selben Tag wurden sie die ersten Bewohner*innen des neu eröffneten Flüchtlingslagers Zaatari.

Innerhalb eines Jahres wuchs die Bevölkerung des Flüchtlingslagers rasant an. Die Zelte, die in den ersten Wochen und Monaten ein provisorisches Dach boten, wurden durch Tausende von Containern ersetzt. Straßen, Schulen und Krankenhäuser wurden gebaut, um den Bedürfnissen der Bewohner*innen gerecht zu werden. Es entstanden Geschäfte und kleine Unternehmen, die von geschäftstüchtigen Flüchtlingen betrieben wurden.

Ein Jahrzehnt nach der Eröffnung des Flüchtlingslagers im Norden Jordaniens hat sich die Bevölkerungszahl bei etwa 80.000 Menschen stabilisiert. Es ist nach wie vor das größte Flüchtlingslager im Nahen Osten und ein Symbol für die langanhaltende syrische Flüchtlingskrise.

Mehr zur Situation in Syrien

  • Shams Elysees
    © UNHCR/Shawkat Alharfoush

    Die viel besuchte "Shams Elysee"

    Flüchtlinge decken sich auf der Marktstraße mit Lebensmitteln ein, bevor sie ihr Ramadan-Fasten brechen.

  • Süßspeisen
    © UNHCR/Yousef Alhariri

    Süßspeisen für Zaatari

    Odai, 28, ein syrischer Flüchtling, besitzt einen Laden, in dem er traditionelle arabische Süßspeisen verkauft. In Zaatari gibt es über 300 Geschäfte, die von Flüchtlingen betrieben werden.

  • Solar
    © UNHCR/Lilly Carlisle

    Sonnenenergie

    Eine große Solaranlage ermöglicht es dem UNHCR die syrischen Flüchtlinge pro Tag mit etwa 10 Stunden Strom zu versorgen.

  • Container
    © UNHCR/Yousef Alhariri

    Containerstadt

    Zu Beginn waren es noch provisorische Zelte, schnell wurden sie durch Tausende Container ersetzt, die den Flüchtlingen besseren Schutz im Wüstenklima bieten.

  • Schule
    © UNHCR/Roland Schönbauer

    Bildung im Flüchtlingslager

    Jungen versammeln sich vor einer Schule in Zaatari. In Jordanien haben Flüchtlingskinder Zugang zu Bildung durch öffentliche Schulen und erhalten ihre Grund- und Sekundarschulbildung nach dem nationalen Lehrplan.

  • Medizinische Versorgung
    © UNHCR/Shawkat Alharfoush

    Medizinische Versorgung

    In Zaatari gibt es zwei medizinische Notfallzentren, die rund um die Uhr besetzt sind sowie acht Zentren für die medizinische Grundversorgung.

Die Marktstraße "Shams Elysees" eine Anspielung auf ash-Sham, ein Wort, das die Syrer für Damaskus verwenden und die berühmte Pariser Prachtstraße Champs-Élysées erstreckt sich fast drei Kilometer lang durch das Zentrum des Flüchtlingslagers und beherbergt vieles, was auch in normalen Städten zu finden ist: von Gemüseläden über Cafés bis zu Fahrradwerkstätten. Dank der Handelsbeziehungen zu lokalen jordanischen Unternehmen und Lieferant*innen in der nahe gelegenen Stadt Mafraq wird Zaatari permanent von Lieferwagen versorgt.

Um Flüchtlingsfamilien mit grüner Energie und Strom zu versorgen, wurde 2017 eine Solarkraftanlage in Zaatari errichtet. Das Kraftwerk ist dafür ausgelegt, fast zehn Stunden am Tag Strom zu liefern. Dies hat das Leben im Lager verändert: Der Markt konnte nachts betrieben werden und das Betreten der Straßen wurde nach Einbruch der Dunkelheit sicherer.

Ein neues Zuhause

Die Familie von Abdul und Farida ist eine von vielen Familien, die vom UNHCR in Zaatari unterstützt wurde. Gemeinsam mit ihren Kindern lebten sie vor dem Krieg im syrischen Dara’a. Sie betrieben einen kleinen Supermarkt, bauten Gemüse im eigenen Garten an und die Kinder besuchten die Schule - bis der Krieg alles zerstörte. Nachdem sie Freund*innen und Verwandte verloren hatten und ihr Haus besetzt wurde, mussten sie ihre Heimat verlassen und über die Grenze nach Jordanien fliehen.

„Die Flucht war unsere letzte Chance, also sind wir nach Jordanien gekommen. Das Leben in Zaatari ist hart aber meine Kinder sind in Sicherheit“, so der Vater Abdul.

Im Flüchtlingslager sind sie mit ungeahnten Herausforderungen und dem Aufbau eines neuen Lebens konfrontiert. Eine sichere Unterkunft, eine zuverlässige Wasserversorgung, Zugang zu medizinischer Versorgung und Bildung – all das war in ihrem Heimatland selbstverständlich, jetzt sind sie auf ihre Willenskraft und die Unterstützung vom UNHCR angewiesen.

Eine Generation von Kindern, die ihr Heimatland nicht kennt

Die Bewohner*innen des Flüchtlingslagers sind sehr jung: 54 Prozent von ihnen sind Kinder – viele von ihnen haben die Grenzen des Flüchtingslagers nie verlassen und ihr Heimatland nie kennengelernt. Eine ganze Generation von Kindern ist dort aufgewachsen und Zaatari ist zu ihrer Welt geworden.

Mehr als 20.000 Kinder wurden in Zaatari geboren, das entspricht einer Geburtenrate von etwa 40 Babys pro Woche. Von der medizinischen Versorgung bis hin zu Gemeindezentren werden alle Dienstleistungen, die Kinder benötigen, innerhalb des Lagers angeboten, einschließlich der 32 Schulen, die vom jordanischen Bildungsministerium betrieben werden.

Das Flüchtlingslager Zaatari am Laufen zu halten, ist keine leichte Aufgabe. Fast 1.200 Mitarbeiter*innen sind bei 32 verschiedenen UN-Organisationen und NGOs beschäftigt, die im Lager tätig sind. Vom Schutz bis zur Gesundheit, von der Bargeldhilfe bis zur Instandhaltung von Unterkünften – die Koordinierung ist der Schlüssel für einen reibungslosen Ablauf. All diese Aktivitäten verwaltet der UNHCR in Zusammenarbeit mit der jordanischen Regierung.

Voller Motivation und Tatendrang

Im September 2022 waren wir zuletzt in Zaatari zu Besuch. Unsere Kolleg*innen Martin Schäfer und Franziska Reeh wollten sich selbst einen Eindruck über die Lage der Flüchtlinge und den aktuellen Hilfsbedarf verschaffen.

Dabei blieben Martin die Kinder besonders im Gedächtnis, aber auch die Kreativität sowie der Erfindungsreichtum der Flüchtlinge: 

"Mittags war Schichtwechsel in der Schule. Um mehr Kindern den Schulbesuch zu ermöglichen, findet der Unterricht schon lange im Schichtbetrieb statt. Ich habe zweischneidige Gefühle als ich die lachenden Kinder sehe.
 

Manche sind ungefähr im Alter meiner Tochter, elf Jahre alt, und mir wird klar, dass einige von ihnen hier in Zaatari geboren sind – und vermutlich auch bis zum Ende ihrer Schulzeit hierbleiben werden.

Immerhin, sie haben die Chance zur Schule zu gehen und das ist für viele Flüchtlingskinder nicht selbstverständlich.

Bei unserem Besuch im Innovationszentrum von Zaatari war ich begeistert von einer simplen und doch so wirksamen Erfindung der Jugendlichen: Sie haben einen kleinen Sensor auf einem Schuh befestigt, der bei einem Hindernis ein Signal abgibt. So können sich sehbehinderte oder blinde Bewohner*innen im Camp sicherer bewegen. Beeindruckt haben mich auch solarbetriebene Ladestationen für Handys mit fest installierten Anschlüssen. Die Ladestationen sind mit einem Sonnenschirm ausgestattet, so hat man beim Laden Schatten und sie dienen gleichzeitig als Treffpunkt. Toll ist auch das solarbetriebenes Dreirad für gehbehinderte Campbewohner*innen. Der UNHCR prüft, ob hier entwickelte Prototypen geeignet sind für eine größere Produktion und den Einsatz in anderen Regionen."

Sehnsucht nach der Heimat

Umfragen zeigen, dass die Mehrheit der Bewohner*innen in Zaatari ihre Zukunft noch immer in Syrien sieht und zurückkehren möchte. Wenngleich die meisten glauben, dass es die derzeitige Situation nicht zulässt, ist die Sehnsucht nach dem Heimatland nach wie vor groß – selbst bei der jüngeren Generation, die Syrien nie gesehen hat. Traditionen, die von Generation zu Generation weitergegeben werden, tragen dazu bei, dass die syrische Kultur und das syrische Erbe lebendig bleiben, auch dank des starken Gemeinschaftsgefühls, das in Zaatari gewachsen ist.

In den letzten Jahren hat jeder Flüchtling in Zaatari seinen eigenen Weg gefunden, um sich den Herausforderungen der Vertreibung zu stellen und angesichts der langanhaltenden Krise Widerstandskraft und Hoffnung zu zeigen. Dennoch sollte uns weiterhin bewusst sein, dass die Menschen im Zaatari Camp und in anderen Flüchtlingslagern auf der ganzen Welt unsere Hilfe und Unterstützung benötigen.

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